Nachricht | Kurzbericht vom 20. November 2023

zur Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern

Der erste Zeuge des Tages war „VS 44“. Er ist Referent für Auswertung Rechts, Reichsbürger und Selbstverwalter, Delegitimierer, für Partei-ungebundenen Rechtsextremismus und rechten Terror im Landesverfassungsschutz, er vertrat auch den Referatsleiter bei der organisatorischen Begleitung des Untersuchungsausschusses. Er sagte zur NSU/NSDAP-CD/DVD aus und zu einer Festplatte eines Mitgliedes des Reservistenverbandes, auf der möglicherweise extrem rechte Dateien gefunden worden. Er sagte, er habe keine eigenen Kenntnisse zum  NSU-Komplex vor und direkt nach Enttarnung. Auch nach seinem Eintritt in den Themenbereich seien diese eher rudimentär geblieben. Im Beweisbeschluss sei das Thema NSU/NSDAP-CD/DVD genannt. Der Verfassungsschutz habe dazu kein eigenes Erkenntnisaufkommen, die CD habe nie vorgelegen. Man sei ein bis zwei Tage nach dem Fund durch die Polizei informiert worden. Das LKA habe im Anschluss an die mündliche Information einen Bericht und Fotos der Auffindesituation geschickt. Er habe das LKA kontaktiert, um eine Zusammenarbeit anzubieten, aber darauf sei es nie zurückgekommen. Sie hätten den Beschuldigten, bei dem die CD gefunden wurde, im nachrichtendienstlichen Informationssystem, in den Akten und über nachrichtendienstliche Zugänge, im Nadis Aktenbestand geprüft und auch, ob er in der Szene bekannt sei. Alles sei negativ gewesen. Damit sei der Vorgang für sie erledigt gewesen.

Der zweite Zeuge des Tages war „VS 52“. Er stellt für den Untersuchungsausschuss nach deren Beweisbeschlüssen die Akten und Antworten im Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Er sagte, seit Juni 2012 arbeite er zum Schwerpunkt NSU. Er sei dazu im Austausch mit anderen Behörden. Zum Beweisthema habe er einige Punkte vorbereitet, das sei sonst zu umfangreich.

Der Mord an Mehmet Turgut und die Tatortauswahl. Es sei unklar, warum dieser Ort ausgewählt worden sei, „das wird sich wohl nie klären lassen“. Es sei ein abgelegener Tatort, der NSU habe sich dort wahrscheinlich ausgekannt, sie seien vor 1998 dort zu Besuch gewesen und in der Nähe des späteren Tatort sei der Wohnsitz einer der bekannten Personen gewesen. Daher liege nahe, dass sich Böhnhardt und Mundlos dort ausgekannt hätten.

Die Frage nach Kontakten nach 1998. Belegt seien solche Kontakte nicht, lediglich vor dem Abtauchen bis 1998 habe es offenbar Kontakte zu Personen aus Rostock gegeben. Diese Personen hätten sie bei einem Urlaub kennengelernt. Sie seien nicht in rechtsextremen Zusammenhängen bekannt geworden.

Namenslisten. Es gäbe verschiedene Listen von Personen, die mit den NSU-Komplex zu tun hätten. Die sog. Telefonliste von Uwe Mundlos, diese sei 1998 in der durchsuchten Garage gefunden worden. Darauf seien über 50 Namen, darunter zwei Personen aus Rostock. M. H. sei 2001 nach Niedersachsen und L. R. nach Schleswig-Holstein verzogen. Dabei handele es sich um die „Urlaubsbekanntschaften“ aus Rostock. Die Liste sei erst 2012 wieder aufgetaucht. Die 100er/129er-Liste des GBA. Diese habe neben den beiden Personen aus Rostock Dr. Eisenecker und David Petereit enthalten. Die 41er-Liste des GBA. Mit dieser Liste habe man NSU-Terroristen und Unterstützer gesucht. Das sei die Grundlage für die Aktendurchsuchung im Land gewesen. Keine der in der Liste aufgeführten Personen sei hier im LfV erfasst gewesen.

Spende an das Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“. Dazu gebe es zwei Sachverhalte. Eine Quelle habe über eine anonyme Spende an den „Weissen Wolf“ berichtet und dass dieser Spende ein Brief beliege, in dem es sinngemäß heiße: ‚Macht weiter so. Das Geld ist bei euch gut aufgehoben‘. Dieser Vermerk sei nicht ans BfV weitervermittelt worden, sondern nur an Berlin und Brandenburg. Eine Übersendung ans BfV sei erst 2012 erfolgt. Die Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ sei 2002 mit einem Gruß erschienen. Der Herausgeber sei damals David Petereit gewesen, er habe das von Maik Fischer aus Brandenburg übernommen. Die Ausgabe 18 habe in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgelegen, aber beim BfV und beim LfV Brandenburg. Daher stelle sich die Frage, ob es möglich wäre, den Spender herauszufinden, wenn man die Kenntnis von der Quellenmeldung habe, aber der Brief inhaltlich nicht bekannt sei. Das sei eine hypothetische Frage, er wisse darauf keine Antwort, so der Zeuge.

Weitere Erkenntnisse zu Eisenecker und Petereit. Eisenecker und Petereit seien die einzigen Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern, die im NSU-Kontext deutlich zu erkennen seien. Eisenecker sei Rahmen der Amtshilfe für Thüringen in Goldenbow observiert worden. Dabei seien Ralf Wohlleben und Carsten Schultze festgestellt worden. Bei Petereit sei bei einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme im Mai 2012 der sog. NSU-Brief gefunden worden.

Die NSU/NSDAP-CD/DVD. Diese sei in Krakow am See gefunden worden. Das LfV Mecklenburg-Vorpommern habe dazu kein eigenes Wissen, so der Zeuge. Er wolle zwei Punkte festhalten. Weder Herkunft noch Verbreitung der CD seien geklärt. Es konnte nachgewiesen werden, dass diese nicht mit dem NSU und seinem Umfeld zusammenhänge.

Durch Ermittlungen und Recherchen von Medien und Zivilgesellschaft seien weder Hinweise für die Auswahl von Mehmet Turgut oder der Bank in Stralsund gefunden worden, „Verbindungen konnten nicht festgestellt werden“. Sie seien nicht gänzlich auszuschließen, aber es gebe kein anderes Ergebnis. Er wolle auch auf den 2. NSU-Untersuchungsausschuss Bayern aufmerksam machen. Dieser habe gezeigt, dass das NSU-Trio insgesamt abgeschottet agiert und auf ein größeres Netzwerk verzichtet habe. „VS 52“ führte aus, er denke, der NSU habe genau gewusst, dass es V-Leute und labile Leute gebe. Mehr Leute hätten also ein höheres Entdeckungsrisiko dargestellt.

Die Zusammenarbeit mit der BAO Trio MV. Sie hätten direkt und über Verbindungsbeamte zusammen gearbeitet, so der Zeuge. Er habe die Zusammenarbeit in aller Regel als gut empfunden. „Natürlich musste man manchmal auf Informationen länger warten“, auf beiden Seiten. Er habe dafür Verständnis gehabt. Er wolle eine Bemerkung machen: Die BAO Trio MV sei personell deutlich besser aufgestellt gewesen. Im LfV habe Gründlichkeit Vorrang, also gebe es keine Antwort ohne größere Recherche. „Ich denke, das war in der Sache richtig.“

Die Vorsitzende fragte nach der Evaluierung der BAO Trio MV und der dortigen Kritik, dass die Bearbeitung durch den Verfassungsschutz lange gedauert habe. Der Zeuge sprach in seiner Antwort von drei Phasen. Am Anfang seien alle Mitarbeiter an der Suche in den Akten beteiligt gewesen. In der zweiten Phase zwischen Juli 2012 und Februar 2023 habe er den Komplex allein mit einem Kollegen bearbeitet. Seit Februar 2023 seien sie sechs Personen: „Sie haben sicher schon gemerkt, das geht zügiger.“

Ein ausführlicher Bericht zur Sitzung findet sich bei NSU-Watch: