
An diesem politischen Donnerstag war Dr. Christine Schweitzer zu Gast im Kartenraum des Peter- Weiss-Haus, zusammen mit dem Rostocker Friedensbündnis und 22 Interessierten. Dr. Christine Schweitzer, Geschäftsführerin beim Bund Soziale Verteidigung und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung, spricht an diesem Abend über das Konzept der „Sozialen Verteidigung und Alternativen Sicherheit“.
Der 2-stündige Workshop startet mit einem Positionsbarometer. Die Teilnehmenden positionieren sich zu Fragen auf einer Ja-Nein-Skala und es kommen erste Diskussionen um die Frage auf: Ist Verteidigung ohne Gewalt überhaupt möglich, wenn die andere Seite Gewalt anwendet?
Dr. Christine Schweitzer stellt das Konzept vor als gewaltfreie Aktion oder zivilen Widerstand im Falle eines militärischen Angriffs. Der Grundgedanke dabei ist, dass alle Macht von der Zivilgesellschaft ausgeht. Als Alternative zu Krieg und militärischer Aufrüstung liegt der Fokus auf der Stärkung des zivilen, gewaltfreien Zusammenhalts und dessen Widerstand.
Doch warum diskutieren wir soziale Verteidigung? Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine brachte die Frage, ob es eine Alternative zu Aufrüstung und Krieg gibt, noch stärker in den Fokus. Dr. Christine Schweitzer sagt treffend: „Ein Krieg zwischen NATO und Russland wäre vermutlich ein Atomkrieg.“ Zudem brauchen wir das Geld, das wir für Aufrüstung ausgeben, immer dringender in anderen Bereichen wie dem Klimaschutz.
Soziale Verteidigung als aktives Handeln wäre ein dritter Weg zwischen der Hinnahme von Unrecht und der Anwendung von Gewalt. Dr. Christine Schweitzer stellt in diesem Zuge die „Chenoteh-Studie“ aus dem Jahr 2011 vor, welche 323 Konflikte im Zeitraum von 1900 bis 2006 betrachtete und zu dem Ergebnis kam: gewaltfreie Aufstände in dieser Zeit waren fast doppelt so erfolgreich wie gewaltsame. Beispiele sozialer Verteidigung finden wir schon bei den Entkolonialisierungskämpfen in Indien, Ägypten oder Sambia.
Dr. Christine Schweitzer stellt die drei wichtigsten Methoden des Konzeptes vor. Dazu gehören die Stärkung und Sicherung des Zusammenhalts sowie sich selbst zu schützen, zum Beispiel in Form von Risikoanalysen, Versorgung sicherzustellen oder den Gegner anzuprangern. Drittens die gegnerische Partei abschrecken, beispielsweise durch Sabotage, und die gegnerischen Sicherheitskräfte auf die eigene Seite zu ziehen. In der Kleingruppenarbeit der Teilnehmenden werden Fragen wie: Was wollen wir eigentlich schützen? Und der Bezug zur Bedrohung von rechts diskutiert. Auch sprechen wir ausgiebig über die Voraussetzungen und Grenzen von sozialer, gewaltfreier Verteidigung. Es findet ein lebhafter aber nicht kritikfreier Austausch statt. Es zeigt sich zudem: Im Kleinen wenden wir Strategien des Konzepts schon an, beispielsweise auf Demonstrationen.
Dr. Christine Schweitzer zeigte innerhalb des Workshops eine andere Perspektive auf. Es wurde der Raum für regen Austausch und Diskussionen der Teilnehmenden geöffnet. Der Austausch ist noch lange nicht an ein Ende gelangt und wir wünschen uns in Zukunft weiterhin, den Raum dafür öffnen zu können.