Dokumentation Sorgende Städte - wie geht feministisch Vergesellschaften?

Sorgearbeit in das Zentrum stellen! Aber wie? Barbara Fried stellte am politischen Donnerstag Ansatzpunkte einer Sorgenden Stadt vor.

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Anti-Privatisierungskämpfe sind vor allem im Zusammenhang mit den Themen Wohnen und Infrastruktur in breite Debatten gelangt. Kämpfe um Sorgearbeit wurden dabei in der öffentlichen Wahrnehmung eher vernachlässigt – und das, obwohl spätestens die Corona-Pandemie zeigte, welche Tätigkeiten für unsere Gesellschaft wirklich notwendig sind.

Um eine klare Vision von einer besseren Zukunft zu entwerfen, war Barbara Fried zum politischen Donnerstag im Peter-Weiss-Haus und stellte das Konzept der „Sorgenden Städte“ vor. Wobei die Sorgearbeit in das Zentrum der Überlegungen zu Vergesellschaftung gestellt wird. 

Das Konzept ist inspiriert von der feministischen Bewegung in Spanien und bietet konkrete Ansatzpunkte für die Vergesellschaftung von Sorgearbeit. Dabei werden mehrere Ebenen in den Blick genommen: die private Sorgearbeit in den Haushalten – wie Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Gleichzeitig richtet sich das Konzept gegen die Privatisierung und Profitorientierung von Sorgeinstitutionen wie Kitas, Krankenhäusern oder der Altenpflege.

Es gibt konkrete Vorschläge, wie es besser gehen könnte – inspiriert von der spanischen Praxis:

Die (Re-)Kommunalisierung von Sorgeinstitutionen und der Blick auf die gesellschaftliche Verantwortung für Sorgearbeit.

Dabei geht es um eine doppelte Entprivatisierung – sowohl raus aus den Haushalten, womit auch die nach wie vor bestehende Geschlechterungerechtigkeit aufgebrochen werden soll, als auch raus aus dem Profitzwang des Marktes.

Ansatzpunkte für dieses Vorhaben gibt es bereits: Die Altenpflege in kommunale Hand zu geben, um Wohnformen und Pflegemöglichkeiten für alte Menschen auszubauen und diese kostenfrei bis kostengünstig zur Verfügung zu stellen.

Außerdem: Schaffung von Infrastruktur als bedürfnisorientierte Sorgezentren. Das bedeutet, Räume zu entwickeln, in denen kollektive Formen des Sorgens erprobt werden – basisdemokratisch organisiert und an den Bedürfnissen der Sorgenden orientiert.

So gibt es bereits in Berlin Initiativen, die zeigen, wie es gehen kann: Die Kampagne Sorge ins Park Center in Berlin-Treptow entwickelte anhand der leerstehenden Shoppingmall „Park Center“ die Vision eines nachbarschaftlichen Sorgezentrums in demokratischer Selbstverwaltung. Dort soll Sorgearbeit unkommerziell, kommunal und gemeinschaftlich organisiert werden.

Ein wichtiger Baustein des Konzeptes bleibt dabei: angemessene Entlohnung und Reduzierung der Erwerbszeit bei vollem Lohnausgleich für die in der Sorge tätigen Menschen. Selbstorganisation und Ehrenamtlichkeit werden als wichtige Bestandteile gesehen, jedoch nicht als Ersatz für eine faire Entlohnung von Care-Arbeit.

Die Kommunalisierung von Sorge könnte auch so aussehen wie im österreichischen Burgenland: Dort gibt es seit 2019 ein Modellprojekt, bei dem pflegende Angehörige öffentlich angestellt, entlohnt und sozialversichert werden können. Sie erhalten einen Pflegelohn auf Mindestlohnniveau sowie regelmäßige Supervision und begleitende Fortbildungen.

Nicht alle Probleme werden damit gelöst, aber die Pflegenden erhalten finanzielle und fachliche Unterstützung und können somit der Isolation teilweise entgehen.

Die reale Utopie der Sorgenden Städte wurde bereits in Barcelona und Madrid, aber auch in Städten Lateinamerikas teilweise in die Tat umgesetzt – und damit erste Schritte in Richtung gesellschaftlicher Verantwortung gegangen.

Das Konzept zeigt damit auf, das Utopien keine Utopien bleiben müssen. Vorstellungen die an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientiert sind, können aus der Selbstorganisation zur Realität werden.