
P r o l o g
Die Geschichte einer Stadt ist wie ein sich ständig ausdehnendes Mosaik. Wie ein Mosaik setzt sie sich aus einer großen Zahl sehr verschiedenartiger Teile zusammen. Immer neue Teile kommen hinzu und entfalten ihre Wirkung. Es sind Ereignisse unterschiedlicher Art und Intensität, die dem Handeln von Menschen, eingebettet in die Umstände ihrer Zeit, entspringen. Diese Ereignisse erzählen Geschichten und Geschichte.
Eine Chronik will diese Ereignisse in ihrer Vielfalt auf einem Zeitstrahl einfangen. Sie will über die Ereignisse informieren, ihre Zusammenhänge, Hintergründe und Wirkungen sowie die handelnden Personen sichtbar machen. Damit spiegelt eine Chronik die Geschichte einer Stadt, vermittelt für die jeweilige Zeit Kenntnisse über das Leben in der Stadt, über ihre Entwicklung, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Für die Gemeinschaft von Menschen, die einen Ort bewohnen, ist das Wissen um die Entwicklung dieses Ortes, um seine Vergangenheit von großem Einfluss auf ihr Verhältnis zu diesem Ort. Die Menschen fühlen sich mit ihrem Wohnort verbunden, in ihm heimisch, wenn sie wissen, wie er geworden ist, so wie sie ihn heute wahrnehmen, erleben. Dieses Wissen schöpfen sie aus schriftlichen und digitalen Überlieferungen, z.B. in Chroniken, und aus materiellen Zeugnissen der Vergangenheit im aktuellen Erscheinungsbild ihres Lebensortes, in Archiven und Museen.
Die hier vorliegende Chronik bezieht sich auf 45 Jahre Geschichte der Stadt Rostock, auf eine Zeit, in welcher sich diese Stadt auf besondere Weise entwickelte. Es ist die Zeit nach dem 2. Weltkrieg und dem Ende der Nazi-Herrschaft in Deutschland.
Im Mai 2020 erschien im Verlag Redieck & Schade das Buch „ROSTOCK Eine Chronik“ in zwei Teilen. Es spannt den Bogen über 75 Jahre Stadtgeschichte vom Mai 1945 bis zum Mai 2020 und spiegelt die beeindruckende Entwicklung unserer Hansestadt an der Ostsee in diesen sehr unterschiedlichen Jahren wider.
Für die Recherche und Niederschrift der Geschehnisse in dieser für die Stadtentwicklung Rostocks sehr wichtigen Zeit zeichnen Wolfgang Hansen und Thomas Jambor für den Abschnitt von Oktober 1990 bis zum Mai 2020 und für den Zeitabschnitt vom 1.Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 Dr. Henning Schleiff verantwortlich.
Als das Buch erschienen war, löste es ein vielfältiges Echo aus. Viele Rostockerinnen und Rostocker fanden in dem Mosaik der dargestellten Ereignisse ihren eigenen Lebensweg wieder. Nachdenklichkeit und auch Stolz auf den persönlichen Beitrag zur Entwicklung ihrer Heimatstadt löste die Lektüre bei nicht wenigen aus. Oft war das Buch Ausgangspunkt für Gespräche in der Familie, zwischen älteren und jüngeren Rostockern. Die später Geborenen bekamen einen Eindruck von dem Weg, den diese Stadt auch in schwierigen Zeiten zurückgelegt hat, als es an Vielem fehlte, aber trotzdem viel geschafft wurde.
In den 45 Jahren vom 1. Mai 1945, als in Rostock Krieg und Nazi-Herrschaft zu Ende gingen, bis zum Ende der Zweistaatlichkeit in Deutschland am 3. Oktober 1990 hat sich Rostock wesentlich verändert. Das spiegelt sich im Wirtschaftspotential ebenso wider, wie in den Forschungsleistungen der Wissenschaftler. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich und betrug 1990 mehr als eine Viertelmillion. Die Zahl der Wohnungen wuchs von 35.000 auf über 100.000. Dieser Weg in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR war nicht frei von Widersprüchen und Unzulänglichkeiten, aber die Stadt zog Menschen an, die gerne in ihr lebten und arbeiteten, sich mit ihr identifizierten.
Das Echo auf das Erscheinen des Buches enthielt auch so manchen Vorschlag, die Chronik um Ereignisse zu ergänzen und weitere Informationen bei einzelnen Ereignissen hinzuzufügen. Da ein veränderter Nachdruck wirtschaftlich zu schwierig gewesen wäre, hat sich der Herausgeber für den Zeitabschnitt von Mai 1945 bis Oktober 1990 entschieden, eine überarbeitete Fassung in digitaler Form zu erstellen. Diese liegt hier jetzt vor. Dank gebührt allen, die mit ihren Anregungen und Vorschlägen, mit Gesprächen und Recherchen dazu beigetragen haben. Ergänzt ist die Chronik um z.T. leicht veränderte Einzelbeiträge aus dem Buch „40 aus 800 Rostock in der DDR“.
Damit diese Chronik der Öffentlichkeit ohne Einschränkungen zur Verfügung steht, hat sich das Archiv der Hanse- und Universitätsstadt Rostock bereit erklärt, die digitale Fassung der Chronik in ihrem Bestand zur freien Nutzung bereit zu halten. Dafür gebührt ihm unser Dank.
Der Herausgeber ist auch in Zukunft für Anregungen zur Vervollkommnung der Chronik, auch für Hinweise auf eventuelle Fehler dankbar.
Natürlich freue ich mich, wenn die Rostocker Chronik für gerade diesen Zeitabschnitt viel genutzt wird und das Lesen zu neuen Erkenntnissen über Rostocks Geschichte führt.
C h r o n i k
1945
01.05.1945 In der Mitte dieses Tages rücken Einheiten der Roten Armee im Wesentlichen kampflos in Rostock ein. Damit sind für diese Stadt, der von Deutschland ausgegangene grausamste aller bisherigen Kriege in Europa und die faschistische Herrschaft beendet.
In letzter Minute sprengen Nazis die Mühlendammbrücke und begraben einen sowjetischen Panzer T-34 und seine fünfköpfige Besatzung unter den Trümmern. Der Panzer war zur Aufklärung vorausgeschickt worden. Die vorbereitete Sprengung der Petribrücke wird durch beherzte Rostocker, wie Karl Lübbe und Friedrich Langschwager, verhindert. Karl Lübbe zeigt dem Kommandeur des auf den ersten Panzern aufsitzenden Infanteriebataillons, Gardekapitän Semjon M. Dmitrewski, an der Kreuzung Verbindungsweg/Tessiner Straße den Weg über die Petribrücke. Hätte die Sprengung auch der Petribrücke wie geplant unter dem ersten sowjetischen Panzer stattgefunden, hätte das für Rostock sicher schlimme Folgen gehabt. Das Glück einer fast kampflosen Einnahme Rostocks durch die Rote Armee hätte es nicht gegeben.
Aber auch in Rostock gibt es verblendete Menschen, die die deutsche Niederlage nicht hinnehmen wollen. Am Weißen Kreuz schießen Jugendliche auf über die Neubrandenburger Straße einrückende sowjetische Panzer. Daraufhin schießt ein Panzer auf die Gaststätte „ „Zum Weißen Kreuz“, an welcher eine Hakenkreuzfahne gehisst ist. Die Explosion eines Munitionszuges auf den Bahngleisen bei Kassebohm löst eine gewaltige Detonation aus. Flugzeuge der deutschen Luftwaffe bombardieren die Flugzeug-Werke in Marienehe bevor die Rote Armee dort einrückt. Vereinzelt wird in der Stadt auf sowjetische Soldaten geschossen, etwa 20 sterben noch an diesem Tag in Rostock und Umgebung. Die Panzersperren werden jedoch nicht mehr vollständig geschlossen. Die Rostocker sind bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr zu Kriegshandlungen bereit.
Als die Truppen der Roten Armee in Warnemünde die Ostsee erreichen, ist die Freude der Offiziere und Soldaten groß. Sie haben es geschafft. Unter ihnen ist auch der Panzerkommandant Iwan Panarin, dessen Tagebuch 2015 in Rostock veröffentlicht werden konnte. Aber es kommt noch zu einem Schusswechsel zwischen auf Reede liegenden deutschen Schiffen, die vollbeladen in Richtung Westen wollen, und sowjetischen Panzern. Nach Zeugenaussagen werden zwei Panzer getroffen und brennen aus. Eine Granate von See reißt im Haus Seestraße 7 eine Mauer ein.
Die in Rostock Verantwortlichen der NS-Zeit sind aus der Stadt geflohen oder haben, zum Teil mit ihren Familien, Selbstmord begangen, wie der vom NS-Regime eingesetzte Oberbürgermeister Walter Volgmann. Sie können ihren Plan, vor Einnahme Rostocks durch die Rote Armee Funktionäre der KPD und der SPD sowie andere Widerständler umzubringen, nicht mehr verwirklichen. Diese werden gewarnt und verstecken sich. Eine Liste mit 157 Namen war vorbereitet worden.
Das zügige Einrücken der Roten Armee verhindert weitere Verbrechen der Nazis in Rostock.
Die in Rostock einschließlich Warnemünde verbliebenen etwa 70.000 Einwohner von mehr als 126.000 vor dem Krieg beherrscht Ungewissheit, Angst und Verzweiflung, aber auch Hoffnung und Erleichterung über das endliche Ende des Krieges, bei vielen wohl auch über das Ende der faschistischen Herrschaft. An Häusern sind weiße Tücher zu sehen, an wenigen auch rote Fahnen. Auf dem Rathaus weht ein weißes Tuch. Viele Familien trauern um Angehörige und Freunde, die im Krieg oder durch den Terror der Nazis ihr Leben lassen mussten. Sorge herrscht in den Familien um die Kriegsgefangenen und Vermissten, von denen jedes Lebenszeichen fehlt, aber auch um viele verwundet Heimgekehrte.
Von den meisten Menschen wird in der folgenden Zeit die entstandene Situation schlechthin als „Zusammenbruch“ - des Staates und der Gesellschaft - wahrgenommen, gewertet und bezeichnet. Das Leben in der Stadt ist zerrüttet. Für die meisten Familien herrscht große Not, es fehlt an Nahrung, an Kleidung, an Wohnraum und vielem, was für das Leben wichtig ist. Das gilt im Besonderen für die Flüchtlinge und alleinstehende Frauen mit Kindern.
Die Zerstörungen und Trümmer des Krieges sind in Rostock allgegenwärtig. Etwa 1,5 Millionen m³ Schutt sollen die während des Krieges von britischen und US-amerikanischen Bombern auf Rostock abgeworfenen etwa 3.000 Tonnen Bomben hinterlassen haben. 30.000 bis 40.000 Menschen wurden in Rostock obdachlos. 610 kamen bei den Bombenangriffen ums Leben. Von ehemals 10.535 Wohnhäusern sind 2.611 (24,8%) zerstört und 6.735 (63,9%) beschädigt, zum Teil schwer. Die Zahl der nutzbaren Wohnungen hat der Krieg um 8.543 reduziert, das sind 23,1% des einstigen Wohnungsbestandes. Ruinen sind das Stadttheater, das Post- und Telegrafenamt, zwei Kliniken, drei Schulen mit 60 Klassenräumen und vier Kirchen, das Steintor, das Petritor, das Kuhtor und vieles andere mehr, was einst das Gesicht Rostocks prägte. Die Marien-Kirche konnte dank des besonnenen Handelns des Kirchendieners Friedrich Bombowski, seiner Tochter sowie eines holländischen Kriegsgefangenen und weiterer Helfer in den Bombennächten gerettet werden. Auch das Rathaus blieb fast erhalten.
Am Nachmittag des 1.Mai treffen sich auf dem Neuen Markt der Dreher Wilhelm Hörning (SPD), der Heizungsmonteur Erwin Kruse (KPD) sowie der Installateur Josef Schares (KPD) und sprechen über Möglichkeiten einer Einflussnahme auf die Entwicklung in der Stadt. Sie verabreden ein Treffen mit weiteren wegen ihrer antinazistischen Einstellung bekannten Rostockern.
02.05.1945
Die sowjetischen Streitkräfte organisieren die Besetzung Rostocks und übernehmen die staatliche und Verwaltungshoheit in der Stadt. Weitere Truppen rücken ein. Eine Kommandantur lässt sich im Hotel „Rostocker Hof“ am Hopfenmarkt nieder. Front-Kommandant für Rostock wird Major Gromow.
Verfolgte des Nazi-Regimes, Antifaschisten treten in die Öffentlichkeit, verlassen die innere Emigration oder ihre Verstecke und stellen sich dem Aufbau eines neuen städtischen Lebens.Später kommen jene aus den befreiten Konzentrationslagern und Zuchthäusern, aus den Strafbataillonen und aus der Emigration hinzu. Von den Anfang der 1930er Jahre mehr als 350 Rostocker Juden können 14 das Ende des Krieges und der Nazi-Herrschaft in Rostock erleben. Sie überlebten vor allem, weil nichtjüdische Ehepartner und Eltern sie schützten.
Hörning, Kruse und Schares treffen sich mit dem Metallarbeiter Hans Mahnke (KPD). Gemeinsam beginnen sie, eine Gruppe von zu aktivem Handeln bereiten Rostockern zu formieren, die schließlich 12 Mann umfasst und sich „Rostocker Ordnungskomitee“ nennt. Zu ihm gehören auch der Dreher August Stemme, der Kriminalbeamte Wilhelm Meier, der Elektriker Martin Müller, der Bürovorsteher Otto Kuphal, der Ingenieur Egon Bachthaler, der Schneider Franz Stransky, die Kaufleute Johannes Bobsin und Wilhelm Eggers. Es sind fünf Mitglieder der KPD, drei Mitglieder der SPD und vier parteilose Rostocker. Die erste Zusammenkunft findet bei Max Stoldt in der Altschmiedestraße 30 statt, dort wo vor 1933 das KPD-Büro war.
Schares, Mahnke und Hörning bitten in den Nachmittagstunden um ein Gespräch beim Kommandanten. Nach einigen Komplikationen werden sie vorgelassen und unterbreiten ihre Vorschläge. Dazu gehören die Bildung des Ordnungskomitees und sein Mitwirken bei der Herstellung eines geordneten städtischen Lebens in Rostock.
Major Gromow stimmt den Vorschlägen zu, auch der Bildung einer „Arbeiter-Polizei“ von etwa 100 Personen, vor allem um Lebensmittellager gegen weitere Plünderungen zu schützen. Er folgt der Bitte, 60 Rotarmisten zur Unterstützung der deutschen Ordnungspolizisten einzusetzen.
An diesem ersten Tag der Besetzung werden an vielen Stellen der Stadt Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegsgefangene befreit. Die Rote Armee und auch Deutsche gewähren ihnen Überlebenshilfe.
Die nach der Nazi-Propaganda befürchteten massenhaften Übergriffe von Rotarmisten auf die Zivilbevölkerung bleiben in Rostock aus. So ist es auch an den folgenden Tagen. Aber es gibt Vergewaltigungen, Raub und Diebstahl. Das bringt Leid, erzeugt Angst und Unruhe. Besonders haben Soldaten und Offiziere der sowjetischen Streitkräfte es auf Uhren und Wertgegenstände abgesehen. Der Ruf „Uhri, Uhri“ ist immer wieder zu hören. Es gibt viel Zorn über das Verhalten von Angehörigen der Besatzungstruppen, aber auch einzelne Stimmen, die darauf verweisen, was diese in dem von Deutschland in ihre Heimat getragenen Krieg erlebt und erlitten haben und welches Leid ihren Familien durch Deutsche zugefügt wurde. Strenge Maßnahmen der Besatzungsorgane zur Disziplinierung ihrer Soldaten und Offiziere bewirken in den folgenden Wochen ein Zurückgehen der Übergriffe.
03.05.1945
Das Ordnungskomitee, z.T. auch Initiativkomitee genannt, übernimmt Aufgaben der Stadtverwaltung. Es veröffentlicht eine mit dem Kommandanten abgestimmte Bekanntmachung, in welcher die „Bevölkerung der Seestadt Rostock“ aufgefordert wird, Ruhe und Ordnung zu bewahren sowie die genannten Regelungen zur Lebensmittelversorgung, zur Aufrechterhaltung der Arbeit im Elektrizitätswerk, im Wasserwerk, bei der Müllabfuhr, auf den Friedhöfen, bei den Ärzten, Hebammen und Apotheken sowie zur Beräumung und Reinigung der Straßen zu befolgen.
Die Rote Armee unterstützt aus ihren Vorräten die Ernährung der Rostocker, vor allem von Kindern.
Auf den Straßen Rostocks sind Gruppen von befreiten KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen zu sehen, die bisher unter menschenunwürdigen Bedingungen vor allem in Rüstungsbetrieben arbeiten und in Barackenlagern leben mussten und sich nun auf den Weg in ihre Heimat machen. Manche von ihnen besuchen vorher Rostocker Familien, um sich bei ihnen für während des Krieges erwiesene Hilfe zu bedanken. Ein geringer Teil beteiligt sich an Plünderungen.
04.05.1945
Die Stadt quillt über von Hilfsbedürftigen. Züge mit verwundeten deutschen Soldaten erreichen Rostock. Die Verwundeten werden in Rostocker Kliniken und provisorischen Lazaretten, u. a. in der Großen Stadtschule in der Wallstraße, versorgt. Beherzte Frauen und Männer nehmen sich im Kontakt zum Ordnungskomitee und zur Kommandantur der dringendsten Aufgaben bei der Hilfe für diese Menschen an. So kümmert sich eine Gruppe um Erich Becker, Albert Jürß und Käte Krogmann um Kriegsflüchtlinge, die in immer größerer Zahl mit ihren Trecks in die Stadt kommen. Die Rostocker organisieren deren Unterbringung in frei gewordenen Wohnbaracken, ihre Ernährung und medizinische Betreuung, soweit das unter den gegebenen Bedingungen möglich ist. Vorrangig gilt die Hilfe den Kindern, die sich nicht selten in einem besorgniserregenden Gesundheitszustand befinden. Viele Menschen schließen sich in den nächsten Tagen und Wochen den Helfern an und unterstützen diese auch mit Sach- und Geldspenden.
05.05.1945
Oberst Prjadko ist neuer Militär-Kommandant für Rostock.
Er erlässt seinen Befehl Nr.1, in welchem erklärt wird, dass der gesamte vom „Hitlerregime geschaffene Staats- und Verwaltungsapparat […] aufgelöst“ ist und alle nach dem 30. Januar 1933 erlassenen Gesetze außer Kraft gesetzt sind. Der Befehl enthält die jetzt geltenden Regeln für das Leben in der Stadt und droht Strafen bei ihrer Nichtbefolgung an. Von abends 8 Uhr bis morgens 6 Uhr ist Ausgangssperre. Feuer- und blanke Waffen, Sendeanlagen, Multiplikationsapparate und Radios sind unverzüglich bei der Kommandantur abzugeben.
Der 31-jährige parteilose Metallarbeiter Christoph Seitz wird als „Bürgermeister der Seestadt Rostock“ eingesetzt. Er kam als Angehöriger des Nationalkomitees Freies Deutschland mit der Roten Armee nach Rostock. Als Feldwebel der Deutschen Wehrmacht war er 1943 zur Roten Armee übergelaufen. Nach seiner offiziellen Amtseinführung am 10. Mai wird er Oberbürgermeister genannt und als solcher auch für den Rostock umgebenden Landkreis von Kühlungsborn bis zur Recknitz verantwortlich. Für den Landkreis setzt er einen Landrat ein. Zuerst ist dies Ernst Oldach und ab 15. September Erwin Kruse.
In den Tagen zum Kriegsende gab es in der Stadt Überlegungen Dr. Robert Grabow, der von November 1930 bis März 1935 als Rostocker Oberbürgermeister und danach als 2. Bürgermeister gewirkt hatte, als neuen Oberbürgermeister in Rostock einzusetzen. Er war trotz seiner Nähe zu den NS-Machthabern nie Mitglied der NSDAP geworden und wurde von den Nazis gezwungen, sein Amt als OB aufzugeben. Grabow war als kompetenter Kommunalpolitiker und Verwaltungsfachmann bekannt. Er kann aber den totalen Zusammenbruch und die Wirren der letzten Kriegstage nicht verkraften und wählt Anfang Mai 1945 den Freitod.
Auf der Grundlage des Befehls Nr. 1 des Militär-Kommandanten werden die 14 sich noch in der Stadt befindlichen ehemaligen Feuerwehrleute verpflichtet, ihren Dienst wieder aufzunehmen. Kommissarischer Leiter wird aus ihren Reihen Willy Hoff. Die von den Nazis entlassenen Feuerwehrmänner, die der KPD oder der SPD angehörten, werden wieder eingestellt und auch Neueinstellungen vorgenommen, so dass die Personalstärke der Rostocker Berufsfeuerwehr schon Ende Mai 55 beträgt.
06.05.1945
Nach dem Aufruf des Ordnungskomitees und des Befehls des sowjetischen Stadtkommandanten zur Ingangsetzung des kommunalen Lebens in Rostock nehmen auch einzelne Postler ihre Arbeit wieder auf. Nach der Zerstörung des Hauptpostamtes an der Wallstraße durch die Bombenangriffe der Royal Air-Force im April 1942 war ein mobiles Notpostamt in der Wallstraße und 1943 ein in mehreren Baracken untergebrachtes provisorisches Postamt am Glatten Aal eingerichtet worden. Hier begannen die verbliebenen Postmitarbeiter die Spuren der Plünderungen und Zerstörungen der letzten Kriegstage zu beseitigen und den Postbetrieb allmählich wieder aufzunehmen. Ab 6. Mai pendelt täglich ein Postbote zwischen Bad Doberan und Parkentin und zwischen Parkentin und Rostock zu Fuß an den Eisenbahngleisen entlang. Zwischen Kavelsdorf und Rostock erledigt ein Pferdefuhrwerk die Postbeförderung. Von Warnemünde nehmen die Eisenbahner die Post mit zum Hauptbahnhof.
Mitte Juni wird Oberpostinspektor Schoorf kommissarisch als Postamtsdirektor in Rostock eingesetzt. Eine regelmäßige Postzustellung in Rostock und Umgebung kommt am 13. Juni in Gang.
09.05.1945
Die Einwohner Rostocks erfahren, dass die bedingungslose Kapitulation Deutschlands vor Vertretern der UdSSR, der USA und Großbritanniens zum 8.Mai 1945 erfolgt ist.
10.05.1945
Mit der Amtseinführung des Oberbürgermeisters übernehmen Mitglieder des Ordnungskomitees Arbeitsbereiche in der Stadtverwaltung. So wird Hans Mahnke Leiter des Arbeitsamtes, Wilhelm Eggers Leiter des Ernährungsamtes, Egon Bachtaler Leiter des Amtes für Wirtschaft, Wilhelm Meyer Polizeichef, Martin Müller Leiter des Gas- und Wasserwerkes, Wilhelm Hörning Leiter der Straßenbahn und Josef Schares wird verantwortlich für die Personalauswahl.
Immer mehr Ostflüchtlinge und Kriegsheimkehrer kommen nach Rostock. Viele nach den Bombenangriffen aus Rostock Geflüchtete oder Evakuierte kehren zurück. Die Lage in der Stadt ist kaum noch zu beherrschen. Die Stadtverwaltung fordert in einer öffentlichen Bekanntmachung, „alle Flüchtlinge, Durchreisenden und nicht Ortsansässigen auf, Rostock zu verlassen.“ Sie werden in der Stadt nicht mit Lebensmitteln versorgt. Viele ziehen in die umliegenden Dörfer weiter oder suchen sich einen Platz in den eingesetzten Zügen, zum Teil aus Güterwagen, um in entfernte ländliche Gebiete weiter zu ziehen.
Die evangelisch-lutherischen Gemeinden Rostocks begehen den Himmelfahrtstag und in Rostocker Kirchen und Gemeindehäusern finden die ersten Gottesdienste nach dem Krieg statt.
13.05.1945
Das Personalamt beim Oberbürgermeister fordert alle Abteilungsleiter in der Stadtverwaltung auf, dafür Sorge zu tragen, dass „alle jetzt in der Stadtverwaltung Beschäftigten“ umgehend einen handgeschriebenen Lebenslauf abgeben, der vor allem Auskunft über die Mitgliedschaft in der NSDAP und ihren Gliederungen gibt. In einem Bericht vom 9. Juni informiert das Personalamt über 181 Entlassungen von „Belasteten“. Bis zum 17. August 1945 werden 227 Nazis aus der Rostocker Stadtverwaltung entlassen, darunter aus dem Arbeitsamt 29, aus dem Finanzamt 35, aus dem Gesundheitsamt 7, aus dem E-Werk 6, dem Stadttheater 30 und dem Landratsamt 43. Alle entlassenen Nazis werden zunächst der Abteilung Straßenreinigung zugeordnet und für die Trümmerbeseitigung, den Abbau von Panzersperren und andere Aufräumungsarbeiten eingesetzt. Am 18. 12. 1945 sind noch 4 ehemalige Mitglieder der NSDAP bei der Stadtverwaltung beschäftigt. Von den 1708 Beschäftigten im Bereich der Stadtverwaltung sind 246 Mitglied der SPD, 232 Mitglied der KPD und sieben Mitglied der CDU bzw. der LDP, 1223 sind parteilos.
14.05.1945
Die Stadtverwaltung gibt für die in Rostock offiziell gemeldeten Personen Lebensmittelkarten aus. Die anderen sich in Rostock aufhaltenden Personen sollen bis auf begründete Ausnahmen Rostock verlassen. Nur in besonderen Härtefällen soll Flüchtlingen vom Arbeitsamt eine Tagesarbeit zugewiesen werden, die mit Lebensmitteln entgolten werden kann. Die auf den Lebensmittelkarten ausgewiesenen geringen Mengen sind in Geschäften nur schwer zu erhalten. Die Ernährung der in Rostock lebenden Menschen ist kaum möglich. Als Ende April die Bewachung der Lager und Züge eingestellt worden war, hatte überall in der Stadt eine fast totale Plünderung der Lebensmittelvorräte, auch aus abgestellten Güterzügen, begonnen. Hinzu kommen jetzt die Beschlagnahmen sowie Lieferanforderungen von Vieh, Getreide und anderen landwirtschaftlichen Produkten durch Organe der Besatzungsmacht oder auch aus eigenem Antrieb durch deren Truppenteile und Offiziere.
Viele Städter gehen zum „Hamstern“ auf die Dörfer und versuchen dort Sachen aus dem Haushalt zu verkaufen oder zu tauschen, um Nahrungsmittel zu erwerben.
Überall in der Stadt werden geeignete Flächen für den Gemüseanbau genutzt, kleine Gemüsegärten entstehen auch auf öffentlichen Grünflächen, z.B. im Rosengarten.
Der sogenannte „Schwarzhandel“ beginnt sich in der Stadt zu entwickeln.
15.05.1945
Der von Oberbürgermeister Seitz ernannte „Leiter des Ortsteiles Warnemünde“, Georg Casper, tritt sein Amt an und löst den Rechtsanwalt und Notar Wilhelm Alm ab, der gleich nach dem Einrücken der Roten Armee vom Truppenkommandeur als „Bürgermeister von Warnemünde“ eingesetzt worden war. Casper ist von Beruf Kupferschmied, seit 1926 Mitglied der KPD und hatte nach mehrmonatiger KZ-Haft in den Arado-Werken gearbeitet. Sein Stellvertreter wird der Schlosser Peter Chapelier. Neben ihnen werden zehn Dezernenten in der Stadtverwaltung Warnemünde, wie sie sich noch bis in den Dezember 1945 nennt, eingesetzt. Warnemünde wird in fünf Bezirke gegliedert, in denen Bezirksälteste tätig werden.
In Warnemünde entstehen in den folgenden Wochen Ortsgruppen der KPD mit dem Vorsitzenden Josef Weber (Schiffer), der SPD mit dem Vorsitzenden Otto Beckentin (Tischler) und der CDU mit dem Vorsitzenden Gerhard Meyer (Mühlenkaufmann). Sie bilden im Spätsommer einen „Antifaschistischen Ausschuss der Stadt Warnemünde“. Es gibt in Warnemünde auch einen örtlichen Militärkommandanten, der seinen Sitz in einer Villa in der Schillerstraße hat und eine Verwaltungskommandantur, die im „Parkhotel“ in der Wachtler Straße residiert.
16.05.1945
Im Elektrizitätswerk Rostock bilden Antifaschisten einen Betriebsrat. Ihm gehören jeweils fünf Mitglieder aus dem Kraftwerk Bramow, dem Netzbetrieb und der Verwaltung an. Sie fordern u.a. die Entlassung von ehemaligen Nazi-Aktivisten.
18.05.1945
Zur fachlichen Stabilisierung der Stadtverwaltung wird der Jurist Dr. Heinrich Heydemann, ein erfahrener Verwaltungsfachmann, vom Kommandanten an der Seite von Oberbürgermeister Seitz als Bürgermeister eingesetzt. Dr. H. Heydemann war in der Weimarer Republik Bürgermeister von Güstrow und mehrere Jahre Landtagsabgeordneter der Deutsch-Nationalen-Volkspartei.
Sechs Polizeireviere nehmen in Rostock ihre Tätigkeit auf. Am 31.Mai empfängt der sowjetische Kommandant die neuen Rostocker Polizisten und übergibt ihnen die Dienstausweise. Ende Oktober hat die Rostocker Polizei eine Personalstärke von 245. Besonderen Anteil am Aufbau der neuen Rostocker Polizei haben Polizeichef Wilhelm Meyer, Ernst Bloß, Alfred Scholz und Friedrich Jansen. W. Meyer rettete als Kriminalbeamter während der Nazi-Zeit Antifaschisten vor dem Zuchthaus.
Am 5. Juli ordnet der Alliierte Kontrollrat als „höchste Regierungsgewalt“ im besetzten Deutschland an, dass in der Verantwortung der Besatzungsmächte der Zonen „zivile Polizeiabteilungen“ gebildet werden, die für die „Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung“ sorgen sollen.
Der Oberbürgermeister bittet den Stadtkommandanten, fünf zusammengestellte Flüchtlingszüge, drei mit dem Zielbahnhof Stettin und je einen nach Pasewalk und Eberswalde, abfertigen zu lassen. Für diejenigen, denen eine Weiterreise nicht zugemutet werden kann, vor allem Frauen mit kleinen Kindern, Alten und Kranken, richtet die Stadtverwaltung eine Notunterkunft in der St. Georg-Schule ein. Ab Juni werden auch das Johannesgymnasium, die Schulbaracke in Dierkow und das Studentenwohnheim am Rosengarten zu Notunterkünften umgerüstet. In diesen Aufnahme- bzw. Durchgangslagern fanden im Frühsommer 1945 ca 3000 Menschen ein vorläufiges Quartier. Die St. Georg-Schule beherbergte als Durchgangslager bei einem täglichen Zu- und Abgang von etwa 200 Personen zwischen 1300 und 1700 Menschen.
In der Stadtverwaltung wird unter Leitung von Stadtrat Richard Heuer eine Abteilung Flüchtlingswesen geschaffen, um die vielen mit der Betreuung der Flüchtlinge zusammenhängenden Aufgaben zu lösen. Auch für den Landkreis entsteht eine solche Dienstelle. Beide arbeiten ab Juli gemeinsam in einer Baracke am Hauptbahnhof, um die Arbeit gut zu koordinieren. Diese Dienstellen kümmern sich auch um die Kriegsrückkehrer.
Das Leinenhaus Ratschow am Hopfenmarkt und das Nebengebäude mit dem alteingesessenen Teppichgeschäft A. Dolichs Erben brennen, wahrscheinlich durch Brandstiftung, nieder. Der besonders wertvolle Giebel des Hauses Ratschow aus dem Jahre 1490 bleibt stehen. Im Zusammenwirken zwischen der Familie Ratschow, dem Bausachverständigen Wilhelm Woltemath, der Zimmereiwerkstatt Mühlenstedt und Oberstleutnant Kiritschenkow von der Kommandantur gelingt es in den folgenden Wochen, den Giebel soweit zu stabilisieren, dass er beim späteren Wiederaufbau des Hauses eingefügt werden kann. Dadurch wird ein Kleinod Rostocker Baugeschichte bewahrt.
20.05.1945
Gustav Sobottka und Willi Bredel von der Initiativgruppe des ZK der KPD für Mecklenburg und Vorpommern sprechen auf öffentlichen Kundgebungen im Stadttheater am Patriotischen Weg bzw. im Kino UFA-Palast in der Breiten Straße.
Das Stadttheater wird mit einem „Bunten Abend“ vor geladenen Gästen wiedereröffnet.
Am 25. Mai beginnt mit einem Konzert- und Opernabend offiziell die neue Spielzeit.
Zum Intendanten ist der seit 1931 in Rostock lebende Johannes Semper ernannt.
Die Schauspieler, Sänger und Musiker spielen im Haus am Patriotischen Weg, dem ehemaligen Konzert- und Gewerkschaftshaus, welches nach der Kriegszerstörung des alten Theaters am Steintor im April 1942 am 13. März 1943 als provisorische Spielstätte eröffnet worden war. Ende August 1944 wurden die Künstler zum Kriegsdienst verpflichtet. Die Aufführung der Operette „Der Vetter von Dingsda“ war damals die Abschiedsvorstellung des Ensembles.
21. 05. 1945
Nachdem alle Kleingartenvereine in Rostock durch den Kommandanten im Auftrag der SMAD wegen ihrer Mitgliedschaft im Reichsbund Deutscher Kleingärtner aufgelöst wurden, erscheint am 21. Mai in allen Kleingartenanlagen der Stadt ein Aushang, der die Pächter dazu auffordert, einen zuverlässigen Vertrauensmann für die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung zu benennen. Dadurch soll offensichtlich die Entnazifizierung dieses Bereiches und zugleich eine gute Kooperation im Interesse der Versorgung der Bevölkerung erreicht werden.
24.05.1945
In Rostock spricht sich herum, dass am 23.Mai durch den Alliierten Kontrollrat der Siegermächte die deutsche „Reichsregierung“ unter Admiral Dönitz offiziell aufgelöst wurde.
Diese Entscheidung wird von den Rostockern bis auf Ausnahmen allgemein mit Genugtuung aufgenommen.
28.05.1945
Der Kreisdienststellenleiter des Roten Kreuzes wendet sich mit der dringenden Bitte an den Rostocker Oberbürgermeister, sofort weitere Räume zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, da die St.. Georg – Schule überfüllt sei, so dass Flüchtlinge auf der Straße liegen müssten.
30.05.1945
Durch eine Bekanntmachung von Bürgermeister Dr. Heydemann werden „alle ehemaligen Ingenieure, Werkmeister und Arbeiter der Neptunwerft … aufgefordert, den 1. Juni um 7.00 morgens zur Arbeit zu erscheinen“. Etwa 250 Menschen kommen und beginnen auf der Werft Trümmer zu beseitigen, Maschinen und Werkzeuge zu bergen, die Werft aufzuräumen. Eine gleiche Aufforderung ergeht an die einstigen Beschäftigten der Heinkel-Flugzeugwerke und anderer Rostocker Betriebe.
In etwa 30 Betrieben der Stadt beginnt die Demontage von Anlagen und Maschinen und deren Abtransport in die UdSSR als Reparationsgut. Zu ihnen gehören neben den Flugzeugwerken und Werften auch Sägewerke, Autoreparaturwerkstätten, Brauereien und das Kraftwerk Bramow, das Reichsbahnausbesserungswerk sowie Eisenbahnanlagen.
31.05.1945
Im Mai begann der schrittweise Neuaufbau der Rostocker Stadtverwaltung, der im Juni fortgesetzt wird. Die Ämter wurden neu strukturiert und mit neuem Personal, besonders in leitenden Positionen, besetzt.
Die Stadt ist in 26 Bezirke gegliedert, in denen Bezirksälteste eingesetzt wurden. Diesen und ihren Mitarbeitern obliegen vielfältige Aufgaben, wie die Ausgabe der Lebensmittelkarten und die Vermittlung von Wohnraum, aber auch die Erfassung der Einwohner, die Bereitstellung von Arbeitskräften, Aufräumungsarbeiten, wie die Beseitigung der Panzersperren und Panzergräben, Beschlagnahmen, die Beschaffung von Heizmaterial. Die Bezirksältesten und ihre Dienststellen erweisen sich als wichtige Bindeglieder zwischen der Stadtverwaltung und den Einwohnern. Besonders erfolgreich sind als Bezirksälteste tätig: Willi Bolte, Fiete Haack, Paul Hecht, Gustav Peters, Otto Roß und Herrmann Saß. Mit der Leitung der durch Verfügung des Oberbürgermeisters vom 25.Juni geschaffenen Dienststelle „Leiter der Bezirksältesten“ wird August Stemme beauftragt.
Mit Beginn der Demontagearbeiten übernimmt der Prokurist Wilhelm Bey die Leitung der Neptunwerft, nachdem sich die Geschäftsführer noch vor dem 1. Mai nach Westdeutschland abgesetzt hatten. Im Rahmen der politischen Bereinigung der Wirtschaft wird W. Bey am 7.November entlassen. Als treuhänderische Geschäftsführer der Neptunwerft AG werden Werner Franz, Meno Schnapauf und Paul Krüger eingesetzt. Den Betriebsrat vertritt in der Geschäftsführung Max Pagel. Die Rote Armee hat die Werft besetzt, aber die Neptunwerft Aktiengesellschaft besteht weiter, an den Eigentumsverhältnissen wird erstmal nichts geändert.
01.06.1945
Erster städtischer Kindergarten öffnet nach dem Krieg
05.06.1945
Die Stadtverwaltung gibt bekannt, dass Rostock 72.787 Einwohner zählt, darunter 20.645 Männer, 36.071 Frauen und 16.071 Kinder.
Oberbürgermeister Seitz wendet sich in einem Brief, in welchem er auf die äußerst angespannte Ernährungslage in Rostock aufmerksam macht, mit der Bitte um Unterstützung bei der Sicherstellung der Ernährung an den Militärkommandanten Oberst Prjadko. Besonders problematisch gestaltet sich die Ernährung für die sich in Rostock aufhaltenden bzw. durchreisenden Flüchtlinge und Vertriebenen. Die Stadtverwaltung geht dazu über, diese Menschen in den Unterkunftsobjekten über vier Großküchen zu versorgen. Aber auch dafür fehlen oft die Nahrungsmittel. Im Landkreis Rostock war die Zahl der Milchkühe von April bis September 1945 auf 15% gesunken. Ähnlich sah es bei Schlachtvieh aus. Trotzdem versucht das Ernährungsamt alles ihm Mögliche, um die Ernährung zu organisieren. Ab 25. Juni war es in ausgewählten Gaststätten möglich ein warmes Essen für 60 Pfennige bzw. eine warme Suppe für 30 Pfennige zu erwerben. Im August konnten etwa 5000 Portionen auf diese Weise, also ohne Anrechnung auf die Lebensmittelkarten, ausgegeben werden.
06.06.1945
Die Brauerei Mahn & Ohlerich nimmt trotz der laufenden Demontagen ihren Betrieb wieder auf.
07.06.1945
Die Stadtverwaltung verpflichtet in einer von Bürgermeister Heydemann unterzeichneten „Anordnung zur Sicherstellung der Ernte“ alle arbeitsfähigen Bürger zur Hilfe bei der Ernte. Stadtkommandant Oberst Prajdko erlässt Befehle zur Bereitstellung von Arbeitskräften und Fahrzeugen für die Ernte.
12.06.1945
Unmittelbar nach der Zulassung antifaschistisch-demokratischer Parteien durch den Befehl Nr. 2 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 10. Juni und dem programmatischen Aufruf des ZK der KPD „An das schaffende Volk in Stadt und Land“ vom 11. Juni bildet sich auf der ersten öffentlichen Parteiversammlung in Rostock eine Ortsgruppe der KPD. Zu ihr gehören 306 Frauen und Männer. Sie waren schon vor der Naziherrschaft Mitglied der KPD und haben den NS-Terror überstanden. In den folgenden Wochen treten viele Menschen, vor allem Arbeiter, der KPD bei. Sekretär der Ortsgruppe wird Josef Schares. Er ist seit 1920 Mitglied der KPD.
Die Eisenbahn beginnt die Personenbeförderung von und nach Rostocker Bahnhöfen. Sie nutzt dazu auch Güterwagen.
14.06.1945
Der Oberbürgermeister ordnet, um die Situation in der Stadt zu entspannen, an, dass bis zum 16. Juni 17 Uhr alle Flüchtlinge, die sich in der Stadt Rostock aufhalten, in Richtung ihrer Heimatorte in Marsch zu setzen sind. Es wurde zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass auch eine Rückkehr in die Heimatorte im Osten möglich ist. Bis zum 19. Juni konnten trotz der Schwierigkeiten im Eisenbahnverkehr etwa 3600 Personen in Güterzügen vor allem zu den Anschlussstellen Tribsees und Hornstorf gebracht werden. Darüber hinaus wurde versucht, Kolonnen von etwa 100 Personen, die ein etwa gleiches Ziel hatten, zusammenzustellen, und zu Fuß auf den Weg zu schicken. Bis Ende Juni hatten vor allem jene Personen, die in der sowjetischen Besatzungszone beheimatet waren, Rostock zu verlassen. Aber die Situation entspannte sich in der Stadt nicht. Mit jedem Tag wuchs die Zahl derjenigen, die – oft seit Wochen unterwegs – keine Kraft mehr zum Weiterziehen hatten und in Rostock Zuflucht suchten. Hinzu kam, dass die westlichen Besatzungsmächte ihre Zonen gegen den Zustrom von Flüchtlingen weitgehend abgesperrt hatten. Außerdem sicherte die polnische Regierung am 20. Juni, also vor den Festlegungen der Potsdamer Konferenz, die Grenzlinie an Oder und Neiße als voraussichtlich neue Westgrenze des polnischen Staates, vor den zurückflutenden deutschen Kriegsflüchtlingen. Gleichzeitig begann, zu dem Zeitpunkt ohne völkerrechtliche Grundlage, die Aussiedlung von Deutschen aus Polen und der CSR. So spitzte sich Ende Juni die Situation in Rostock erneut zu.
19.06.1945
Erste öffentliche Kundgebung der KPD-Ortsgruppe im Kino „UFA-Palast“. Vor etwa 1000 Rostockern sprechen Josef Schares über den Widerstandskampf der Kommunisten gegen das Nazi-Regime und Hans Mahnke über das Aktionsprogramm der KPD. Willi Bredel von der provisorischen KPD-Landesleitung hatte zu Beginn der Opfer des Nazi-Regimes und der Widerstandskämpfer gedacht und gefordert, die Einheit der Arbeiterklasse und einen Block aller Antifaschisten entstehen zu lassen Als Gäste ergreifen der Sozialdemokrat Karl Möller und der bürgerliche Demokrat Dr. Langenstein das Wort.
28.06.1945
Aus einem Bericht der neu gebildeten Wirtschaftskammer Rostock an den Oberbürgermeister geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt in Rostock 2835 Firmen registriert sind, darunter 1216 aus dem Handel, 1146 aus dem Handwerk, 95 Industriebetriebe, 143 Gaststätten, 118 Verkehrsbetriebe und 117 aus sonstigem Gewerbe.
02.07.1945
Das Amts- und Landgericht Rostock nimmt unter Leitung von Dr. Scheffler seine Tätigkeit auf. Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Antifaschisten werden Schöffen und beeinflussen wesentlich die Rechtsprechung. Als Schöffen werden u.a. tätig, bei der Strafkammer Hans Bülow, Kurt Gramm, Günter Matern und Johannes Semper, beim Jugendgericht Erich Horn, Ernst Paap und Max Stoldt, beim Arbeitsgericht Fritz Drossart und Emil Vitense, beim Mietgericht Josef Schares und Paul Krüger.
Richter und Schöffen sowie andere Justizbeamte, die Mitglied der NSDAP und ihrer Gliederungen gewesen bzw. an der faschistischen Verfolgung beteiligt waren, wurden beginnend im Mai 1945 aus ihren Dienststellungen entfernt.
04.07.1945
Die Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern wird gebildet. Präsident ist Wilhelm Höcker (SPD), 1. Vizepräsident Johannes Warnke (KPD), 2. Vizepräsident Otto Möller (CDU). Es entwickeln sich die notwendigen Arbeitsbeziehungen zwischen der Rostocker Stadtverwaltung und der Landesverwaltung, die ihren Sitz in Schwerin hat.
05.07.1945
Neugründung der Ortsgruppe Rostock der Sozialdemokratischen Partei. Vorsitzender wird Albert Schulz. Mit Datum vom 13. Juli wird dem Oberbürgermeister das auf der Gründungsversammlung beschlossene Statut der Ortsgruppe und die Liste der Vorstandsmitglieder übergeben.
Die Stadtverwaltung erlässt eine Anordnung zur Umbenennung von Straßen und Plätzen. Damit werden vom Nazi-Regime vorgenommene Straßenbenennungen und solche mit Bezügen zur militaristischen Vergangenheit rückgängig gemacht. Straßen, Wege und Plätze erhalten neue Namen, die dem Geist der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung entsprechen.
Der sowjetische Stadtkommandant erlaubt die öffentliche Ausübung von Sport und gibt die Sportanlagen frei. Als erste Sportgemeinschaft entsteht die SG Rostock-Süd. Die SG Rostock-Süd wird 1947 erster Nachkriegsmeister im Fußball für Mecklenburg.
06.07.1945
Das Amt für Kultur und Volksbildung der Stadtverwaltung wird gegründet. Leiter des Amtes wird Günther Matern (KPD). Schulrat in diesem Amt ist Emil Neels.
09.07.1945
Bürgermeister Dr. Heinrich Heydemann wird Ministerialdirektor in der Finanzverwaltung des Landes. An seine Stelle tritt der Sozialdemokrat Otto Kuphal. Als gelernter Rechtsanwaltsgehilfe war er bis zum Ende des Krieges Bürovorsteher in einer Rostocker Anwaltskanzlei und hatte sich bei der Unterstützung von Nazi-Gegnern verdient gemacht.
12.07.1945
Der Leiter der Hauptverwaltung beim Oberbürgermeister Dr. Spreche weist an, dass durch die Bezirksältesten ehrenamtliche Blockobmänner und Hausobmänner einzusetzen sind. Dazu werden die Bezirke in Blocks eingeteilt und in diesen mehrere Häuser einem Hausobmann zugeordnet.
13.07.1945
In Rostock wird die erste Ausgabe der „Volkszeitung. Organ der KPD Mecklenburg-Vorpommern“ verbreitet.
15.07.1945
Die erste Kundgebung der SPD nach dem Faschismus in Rostock findet im überfüllten UFA-Palast statt. Es spricht Albert Schulz zur „Überwindung der faschistischen Ideologie und der Folgeschäden des verbrecherischen Krieges“. Schulz fordert zur Zusammenarbeit aller gutwilligen Kräfte aus allen Bevölkerungsschichten und politischen Richtungen auf.
Erstmals in der Geschichte beider Parteien in Rostock spricht mit Josef Schares ein offizieller Vertreter der KPD auf einer SPD-Veranstaltung. Er hebt besonders die Notwendigkeit der Einheit der Arbeiterbewegung hervor.
17.07.1945
Es bildet sich ein Ortsausschuss Freier Gewerkschaften für Rostock.
18.07.1945
Bürgermeister Otto Kuphal wendet sich in einem Aufruf an die Bevölkerung Rostocks, bei der Errichtung einer Stiftung zur Unterstützung der Opfer des Faschismus zu helfen. Die Stiftung soll denjenigen helfen, die durch den Faschismus „ihre Angehörigen in den Konzentrationslagern verloren haben, die ihrer Gesundheit beraubt wurden und ihr Hab und Gut verloren“. Die Schirmherrschaft über die Stiftung wird der Oberbürgermeister der Stadt Rostock übernehmen und ihr Vorstand wird von je einem Vertreter der Antifaschistischen Organisationen Rostocks und einem Vertreter der Stadtverwaltung gebildet werden, heißt es in dem Aufruf. Der Aufruf zielt sowohl auf Geld- als auch auf Sachspenden.
19.07.1945
Ausgehend von den entsprechenden Vereinbarungen der Parteiführungen entsteht in Rostock ein „Gemeinsamer Arbeitsausschuss KPD-SPD“. Dem Ausschuss gehören von der KPD Willi Bredel, Josef Schares und Dr. Herrmann Spreche, von der SPD Albert Schulz, Walter Schultz und Alfred Starosson an. Es wird vereinbart, dass dieser Ausschuss zweimal monatlich zusammentritt und der Vorsitz abwechselnd von der KPD und der SPD wahrgenommen wird. In einem Sieben-Punkte-Programm werden die „vordringlichsten Aufgaben“ genannt.
20.07.1945
Die städtische Verwaltung in Warnemünde beschließt, auf dem Gelände der wegen ihrer Rüstungsproduktion fast vollständig demontierten „Krögerwerft“ die „Bootswerft Warnemünde“ als Reparaturwerft für Fischereifahrzeuge zu errichten. Am 26. Juli nimmt die Werft die Arbeit auf. Ihre Aufträge erhält sie vorrangig vom sowjetischen Fischereioffizier, Kapitän Manow. Daneben kann die Werft auch Arbeiten für Warnemünder Fischer ausführen.
Am 17. Oktober übernimmt die Rostocker Stadtverwaltung die „Bootswerft Warnemünde“ und beauftragt den Ingenieur Werner Franz von der Neptunwerft mit ihrer Neuorganisation. Die Werft hat zu diesem Zeitpunkt etwa 85 Arbeiter und Angestellte. Bis Ende Oktober gelingt es, zwei eiserne Boote aus den Hinterlassenschaften des Krieges zu Fischkuttern umzubauen. Am 15. November 1945 wird Hans Streit gemeinsam mit dem Schiffbauingenieur Willi Schröder die Leitung der Werft übertragen. Die Umwandlung der Werft in eine Produktionsgenossenschaft gelingt nicht. 1946 beginnt der Neubau von 17m-Fischkuttern. Am 1. September 1946 wird die Bootswerft Warnemünde in Landeseigentum überführt. Sie hat zu diesem Zeitpunkt etwa 200 Beschäftigte.
Bis dahin hatten die Brüder Hans und Carl Kröger mehrfach versucht, Eigentums- und Verfügungsrechte über die Werft, die unbestritten ein Rüstungsbetrieb war, geltend zu machen, u.a. in einem Brief vom 5. November 1945 an die Landesregierung und in einem Brief an den Rostocker Oberbürgermeister. Vereinzelt fanden sie Verständnis bei Mitarbeitern der Landesverwaltung und der Rostocker Stadtverwaltung. Die Gebrüder Kröger hatten ihre Werft vor dem 1.Mai 1945 mit allen reparaturwürdigen und schwimmfähigen Fahrzeugen nach Schleswig-Holstein verlassen und die auf der Werft verbliebenden Werkzeugmaschinen unbrauchbar gemacht. Die Aussagen in den Briefen dienten später der Sequestrationskommission in Rostock als wertvolle Grundlage für ihre Entscheidung. Die Belegschaft lehnte die Rückgabe der Werft an Krögers mit großer Mehrheit ab.
21.07.1945
In Rostock findet eine Kreiskonferenz der KPD für den Stadt- und Landkreis statt. 65 Delegierte aus 10 Ortsgruppen vertreten etwa 600 Mitglieder. Sie beraten die nächsten Aufgaben und wählen die Kreisleitung Rostock. Das Referat hält Willi Bredel von der Landesleitung. Politischer Leiter der Kreisleitung wird Josef Schares. Als Mitglieder der Kreisleitung werden gewählt: Hans Bülow, Anastas Körner, Marga Korf und Richard Tormann. Das Büro der Kreisleitung entsteht im Haus Neuer Markt 19.
25.07.1945
Im Fürstensaal des Rathauses liest der Schriftsteller Willi Bredel auf einem Literaturabend aus seinen Werken.
29.07.1945
Zum Thema „Die neue deutsche Gewerkschaftseinheit“ spricht der Vorsitzende des vorbereitenden Ausschusses zum Aufbau des FDGB in Rostock, Martin Müller (SPD), auf einer öffentlichen Arbeiterversammlung.
31.07.1945
Im Juli traten in der Stadt verstärkt Geschlechtskrankheiten auf. Das beunruhigt sowohl die deutschen Behörden als auch die sowjetische Kommandantur. Gemeinsam wird nach vertretbaren Wegen gesucht, um die damit verbundenen Gefahren einzudämmen. Eine städtische Zentralstelle zur Bekämpfung dieser Krankheiten entsteht unter Leitung von Dr. Rolf Grauert. In der Johannisstraße wird eine Einrichtung zur Unterbringung und Betreuung von Frauen mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr (HwG-Personen) geschaffen.
01.08.1945
Ehemalige Mitarbeiter der Heinkel Flugzeugwerke gründen die „Rostocker Industriewerke“ (RIW). Sie werden an diesem Tag als Arbeitergenossenschaft mit beschränkter Haftung in das Genossenschaftsregister eingetragen. In den Resten von Werkstätten beginnen die Arbeiter und Ingenieure mit der Fertigung von wichtigen Dingen für den Alltag, wie Handwagen, Küchengeräte, Sparkohleherde, Pflugschare und andere landwirtschaftliche Geräte und auch von Windschöpfwerken und Windkraftanlagen, sowie Medizintechnik. Ende August sind 85, Ende des Jahres etwa 400 Arbeiter bei den RIW tätig. Es entstehen u.a. eine Leichtmetall- und eine Graugießerei. Der Versuch Heinkels mit Hilfe ehemaliger leitender Angestellter über die RIW Vermögensansprüche und Einfluss durchzusetzen misslingt.
Sechs Filmtheater, darunter zwei in Warnemünde, nehmen in Rostock ihren Spielbetrieb auf.
Es beginnt eine Aktion zum Torfstechen, vor allem um Torf als Brennmaterial zum Beheizen der Wohnungen und Wärmestuben sowie von Schulen zu gewinnen.
03.08.1945
Große Plakate informieren in der Stadt über die vom 17. Juli bis 2. August stattgefundene Potsdamer Konferenz der Siegermächte und das dort beschlossene Abkommen. Das löst unter den Einwohnern Rostocks vielfältige Diskussionen aus. Zustimmung und Unsicherheit über die Zukunft beherrschen gleichermaßen die Menschen. Rostock gehört nun endgültig zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und Stettin soll zu Polen gehören. Die Ostgrenze Deutschlands verläuft künftig entlang von Oder und Neiße.
04.08.1945
Die gegründete Rostocker Ortsgruppe der Christlich Demokratischen Union (CDU) wird bei der Stadtverwaltung registriert. Vorsitzender ist der Fabrikant Dr. Siegfried Witte. Als er am 11. August zurücktritt, um sich seinen Aufgaben als Kreisvorsitzender zu widmen, übernimmt den Vorsitz der Ortsgruppe Oberstudiendirektor Dr. Walther Neumann. 2. Vorsitzender ist J. Küchler. Mitglieder des Vorstandes sind: Ewald Scharnhorst (Bankbevollmächtigter), Dr. Annemarie von Harlem (Studienrätin), Rechtsanwalt Heinrich (Kurator der Universität), Universitätsprofessor Klinke (Direktor der Universitätskinderklinik) und Johannes Knorr.
05.08.1945
Die dritte Sitzung des gemeinsamen Arbeitsausschusses KPD-SPD beschließt einen Vorschlag an den Oberbürgermeister, auf Stadtebene eine Vertretungskörperschaft von 30 Personen zu bilden. Sie soll aus je zehn Vertretern der KPD und der SPD sowie zehn vom Oberbürgermeister zu berufenen Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft und anderer Bereiche bestehen.
In einem Telegramm an die Landesverwaltung bittet der Arbeitsausschuss, bei der SMA zu erwirken, dass die für die Versorgung Rostocks mit Nahrungsgütern dringend benötigten Eisenbahnlinien Rostock-Tessin und Sanitz-Bad Sülze nicht demontiert werden.
Außerdem spricht sich der Arbeitsausschuss dafür aus, die in der Stadt lebenden Kriegs-verwundeten mit allen Mitteln zu unterstützen.
07.08.1945
Anordnung des Präsidenten der Landesverwaltung zur Bildung einer Krankenkasse der Stadt und des Kreises Rostock. Sie vereinigt alle vormaligen Rostocker Krankenkassen.
13.08.1945
Die Rostocker Straßenbahn fährt stundenweise wieder. Mit Unterstützung des Präsidenten der Landesverwaltung, Wilhelm Höcker, setzt sich Wilhelm Hörning als Leiter der Straßenbahn erfolgreich dafür ein, die schon begonnene Demontage der Straßenbahn-Oberleitungen durch die SMAD stoppen zu lassen.
21.08.1945
In Rostock beginnt eine zwangsweise Typhus-Schutzimpfung, die planmäßig bis zum 19. September laufen soll, aber bis in den November fortgesetzt wird. 70.000 Personen werden geimpft, um die Anfang August in der Stadt ausgebrochenen Typhus- und Flecktyphus-Erkrankungen, die sich auch im Rostocker Umland und in anderen Teilen Mecklenburgs ausbreiten und epidemischen Charakter annehmen, einzudämmen. Zur gleichen Zeit kommt es zu einer großen Zahl von Scharlach- und Diphtherieerkrankungen. Am 2. Oktober meldet der Leiter des Rostocker Gesundheitsamtes, Dr. Heinrich Strauß, dass in der Stadt alle Krankenhäuser überfüllt sind und andere Gebäude in Rostock und Nachbargemeinden für eine Aufnahme von Kranken in Betracht gezogen werden. Es besteht die Gefahr, dass Rostock unter Quarantäne gestellt wird. In einem intensiven gemeinsamen Arbeitsprozess zwischen den deutschen Dienststellen und der Kommandantur werden außerordentliche Maßnahmen des Seuchenschutzes durchgesetzt. Es wird ein „Seuchensuchdienst“ unter Leitung von Dr. Ritter aufgebaut. 564 freiwillige Helfer können dafür gewonnen werden. Die Organisation übernimmt Käte Krogmann. Überträger der Krankheitserreger sind offensichtlich Kleiderläuse. Ihre Verbreitung ist wesentlich auf die Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge zurückzuführen. Die Entlausung mit dem Bekämpfungsmittel Gesarol gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Seuchenhelfer. Außerdem müssen sie das strenge Seuchenkontrollregime in den Wohnbereichen durchsetzen. Bei Auftreten von Typhusfällen werden in der Inkubationszeit von 21 Tagen die Körpertemperaturen aller Bewohner des Hauses erfasst und über sogenannte Gruppenpässe an den Seuchendienst gemeldet. Verstärkt treten auch TBC und Krätze auf.
Eine große Verantwortung tragen in diesem Prozess die Bezirksärzte. In jedem der 26 Bezirke der Stadt ist ein niedergelassener Arzt als solcher tätig. Dr. Heinrich Strauß erweist sich auch in dieser Aktion als ein überaus engagierter, zuverlässiger und kompetenter Amtsarzt. Er arbeitet sehr eng mit Dr. Niredjin, dem Chef des Gesundheitsdienstes in der Kommandantur, zusammen.
24.08.1945
Die Rostocker Sparkasse nimmt ihren Geschäftsbetrieb wieder auf.
29.08.1945
Im Fürstensaal des Rathauses findet die Gründungsversammlung eines antifaschistischen Jugendausschusses für Rostock statt, er nennt sich „Freie Jugendbewegung Rostock“. Vertreter der Parteien, der Stadtverwaltung und der sowjetischen Kommandantur sichern Unterstützung bei der Entwicklung der Jugendarbeit zu. Leiter des Ausschusses wird Lothar Krebs (KPD), Mitglieder werden Susanne Dettmers (parteilos), Thea Helms (SPD), Karl-Heinz Kruse (SPD), Heinz Melcher (KPD). Als Lothar Krebs im Dezember 1945 eine Funktion im Landesjugendausschuss in Schwerin übernimmt, folgt ihm Arno Mahncke (SPD) als Vorsitzender. Nach einer Beratung mit dem Vorsitzenden des Landesjugendausschusses, Waldemar Borde, am 26.02.1946 in Rostock, wurde Heinz Welsch (KPD) Ko-Vorsitzender.
31.08.1945
Im August verständigen sich Frauen aus allen Bevölkerungsschichten Rostocks über die Schaffung eines „Antifaschistischen Frauenausschusses“, der sich in die Lösung der vielfältigen kommunalen Aufgaben einbringen will.
Im August entsteht bei der Stadtverwaltung eine Betreuungsstelle für Opfer des Faschismus (OdF) unter Leitung von Kurt Gramm. Er war in der Nazi-Zeit als Jude verfolgt und mehrere Jahre inhaftiert. Diese Dienststelle hilft Verfolgten, die die Nazi-Herrschaft überlebt haben, bei ihrer Integration in die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse. Nicht wenige von ihnen engagieren sich beispielhaft. So kümmert sich die Jüdin Dr. Hedwig von Goetzen als Frauenärztin aufopferungsvoll um kranke Frauen und auch um solche, die aus Vergewaltigungen schwanger geworden sind. Dr. Ernst Hilzheimer und Dr. Leo Glaser engagieren sich beim Aufbau der Verwaltung und bei der Ordnung der städtischen Finanzen. Von den Nazis verfolgte Kommunisten und Sozialdemokraten sowie bürgerliche Gegner des Nazismus bewähren sich als „Aktivisten der ersten Stunde“ in fast allen Lebensbereichen der Stadt.
01.09.1945
Bildung des Blocks der antifaschistisch- demokratischen Parteien für Rostock durch die Ortsgruppen der SPD, der KPD und der CDU.
In dieser ersten Blocksitzung in Rostock kommt es zu heftigen politischen Auseinandersetzungen, vor allem zur Bodenreform. Konservative Kräfte in der Stadt versuchen, den Beginn der Bodenreform zu verzögern und diese nicht mit der vorgeschlagenen Konsequenz durchzuführen. Im Kreis Rostock (Stadt und Land) verfügen 182 Landwirtschaftsbetriebe mit mehr als 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (LNF) über 50,7 % des Bodens. Auf einer Kreiskonferenz der KPD am 05. August hatten Josef Schares und Willi Marlow die Konzeption der KPD für die Bodenreform erläutert und begründet. In Mecklenburg und Vorpommern gibt es etwa 2200 Junker und Großgrundbesitzer mit über 100 ha LNF.
Namens der KPD schlägt Josef Schares in einem Brief an den Oberbürgermeister vor, in der Stadtverwaltung eine Wirtschaftsplanungs- und - lenkungsstelle zu schaffen. Am 8. Dezember berichtet die Volkszeitung, dass sich diese Stelle bei der Ingangsetzung von Betrieben, bei der Koordinierung ihrer Produktion, der Bedarfsermittlung sowie bei der Beschaffung und Verteilung von Material in kurzer Zeit bewährt hat. Die Überproduktion bestimmter Gerätschaften einerseits und der Mangel an anderen Erzeugnissen andererseits wurden durch Lenkung schrittweise ausgeglichen. Getragen von Unternehmern, Handwerksmeistern, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Arbeitern sowie anderen qualifizierten und erfahrenen Leuten entstanden vielfältige Initiativen zum Aufbau der Wirtschaft in der Stadt. So schuf die Rostocker Moorverwertung GmbH in einer Arbeitsgemeinschaft mit den Universitätsinstituten für Botanik, Geografie, Mineralogie, Chemie und Mikrobiologie durch Moorerkundung die Unterlagen für eine systematische Torfgewinnung, Torfverwertung und Moorkultivierung. In kurzer Zeit wurde eine Klärgasanlage entwickelt, die täglich 400 cbm Methan erzeugt. Einige Betriebsinhaber verhalten sich abwartend, wollen sich noch nicht für die entstehende neue Ordnung engagieren.
02.09.1945
Gründung der Ortsgruppe Rostock des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“. Sie wird geleitet vom Rechtshistoriker Prof. Dr. Heinrich Mitteis. Ihm zur Seite stehen Prof. Dr. Günter Rienäcker, der Intendant des Stadttheaters Johannes Semper, der Verleger Peter E. Erichson, der Lehrer Dr. Erich Fabian und der Schriftsteller Willi Bredel.
05.09.1945
Die Ortsgruppen der SPD, der KPD und der CDU fordern bei einer Beratung des Demokratischen Blocks zur Bodenreform von der Stadtverwaltung die Durchführung der Bodenreform auf dem Territorium der Stadt Rostock zu unterstützen und auch den städtischen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Grundbesitz in die Bodenreform einzubeziehen. In der Zusammenkunft wird erneut deutlich, dass es zum Inhalt der Bodenreform unterschiedliche Meinungen gibt, z.B. zur Größe der einzubeziehenden Wirtschaften.
Auf der Neptunwerft findet eine Betriebsversammlung statt. Die Arbeiter Krüger, Pagel und Träeder werden als Betriebsräte eingesetzt. Hans Mahnke spricht über den Aufbau und die Aufgaben der neuen Gewerkschaften. Es wird für Rostock die Gewerkschaft Metall im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) gebildet. In den folgenden Wochen konstituieren sich auf Versammlungen von Beschäftigten für weitere Bereiche, wie Bildung, Handel und Gesundheitswesen Gewerkschaftsorganisationen im FDGB.
Vorsitzender des Ortsausschusses Rostock des FDGB ist Martin Müller (SPD), 2. Vorsitzender Hans Mahnke (KPD).
Die erste Ausgabe der „Volksstimme“, Organ der SPD Mecklenburg-Vorpommern, wird in Rostock verbreitet. Sie erscheint in großer Aufmachung mit der Verordnung über die Bodenreform im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 05.09.1945.
09.09.1945
Im überfüllten Kino „Schauburg“ an der Ulmenstraße tagt die erste Mitgliederversammlung der SPD für den Kreis Rostock nach Krieg und Faschismus. Albert Schulz wird zum 1. Vorsitzenden, Alfred Starosson zum 2. Vorsitzenden des Kreisvorstandes gewählt. Mitglieder des Vorstandes werden außerdem Carl Kröger (Kassierer), Walter Schultz (Schriftführer), Grete Beese, Karl Schröder, Paul Schwanke, Hans Weimar, Karl Krenth, Paul Harder und Martin Müller.
Auf einer Veranstaltung im Stadttheater wird an diesem zweiten Septembersonntag wie in vielen Städten Europas der Opfer und Verfolgten des deutschen Faschismus gedacht.
14.09.1945
Konstituierung des “Ausschusses zur politischen Bereinigung der Wirtschaftsbetriebe in Rostock“. Er führt die seit Juni in den 26 Bezirken und in einzelnen Betrieben eingeleitete Entfernung von Nazi-Aktivisten und Konzernvertretern aus leitenden Positionen fort. Bis Ende August waren in den „Bereinigungsausschüssen“ der Bezirke 201 Fälle behandelt worden, darunter waren 170 Mitglieder der NSDAP. In 117 Fällen wurde die politische Untragbarkeit der Vorgeladenen in ihren Betriebsfunktionen festgestellt. Der gesamtstädtische Ausschuss, der vom Oberbürgermeister geleitet wird, behandelt vor allem Fälle, zu denen auf Bezirksebene keine Einigung erreicht werden konnte. Dem Ausschuss gehören Vertreter der Parteien, der Gewerkschaft sowie der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer an. Bei ihm wird eine Ermittlungsstelle unter Leitung von Kurt Gramm gebildet. Geschäftsführer des Ausschusses ist Stadtrat Wilhelm Kleesaat (CDU). Grundlage für die Tätigkeit der „Bereinigungsausschüsse“ ist die Verfügung des Präsidenten der Landesverwaltung zur Weiterführung der Wirtschaft vom 29.08.1945. Bis zum 15. April 1946 erklärt der Ausschuss der Stadt 85 Betriebsinhaber und Geschäftsführer wegen ihrer Nazi-Vergangenheit bzw. weil sie „den alliierten Zielen feindlich gegenüberstehen“ für politisch untragbar und ernennt an ihrer Stelle Treuhänder. Auch für herrenlose Betriebe werden Treuhänder bzw. kommissarische Verwalter eingesetzt. Eigentumsfragen werden durch die Entscheidungen der „Bereinigungsausschüsse“ nicht berührt. Gegen Entscheidungen des städtischen Ausschusses sind Beschwerden bei der Landesverwaltung möglich. Auf Vorschlag der KPD wird ein Landesbeschwerdeausschuss gebildet, der sich am 20.03.1946 konstituiert. Ihm gehören jeweils ein Vertreter der Parteien, der Gewerkschaft sowie der IHK und der Handwerkskammer an. Er hat das Recht, bei Beschwerden über Aufhebung oder Weiterbestehen der Beschlüsse der kommunalen „Bereinigungsausschüsse“ zu entscheiden.
15.09.1945
Oberbürgermeister Seitz fordert den Leiter des Stadtbauamtes auf, wegen der Ernährungslage alle zur Bepflanzung geeigneten Stadtanlagen offiziell für die Einrichtung von Gemüsegärten freizugeben und dafür Sorge zu tragen, dass im Rostocker Stadtgebiet kein Quadratmeter Land unbestellt bleibt. Die Einwohner Rostocks werden aufgerufen, alle Vorgärten, Grünanlagen und sonstigen freien Flächen, auch bei zerstörten Gebäuden, auch solchen, die verlassen dastehen, für den Gemüseanbau oder andere der Ernährung dienenden Pflanzungen zu nutzen. Die Besatzungsorgane unterstützen im März 1946 mit der Bereitstellung von Pflanzkartoffeln. Flächen, die bis zum 1. April 1946 nicht bestellt sind, werden durch die Bezirksältesten ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse vergeben. Der Bau von Lauben, Geräteschuppen und Ställen sowie das Pflanzen von Obstbäumen und Dauergewächsen ist auf den Grabelandflächen nicht gestattet. Die Flächen werden in der Regel für ein Jahr verpachtet.
16.09.1945
Die erste öffentliche Jugendkundgebung nach dem Ende von Krieg und Faschismus in Rostock findet im Stadttheater statt. Es spricht Bürgermeister Kuphal. Die Stimmung unter den Jugendlichen ist geteilt. Neben Nachdenklichkeit, Zuversicht und der Bereitschaft mitzubauen an der Stadt und einer neuen politischen Ordnung werden Ablehnung und auch Auflehnung bis zu provozierendem Verhalten sichtbar. Für den antifaschistischen Jugendausschuss ergeben sich komplizierte Aufgaben.
Im Fürstensaal des Rathauses findet ein Schachturnier statt, das erste öffentliche Schachturnier in Rostock nach dem Krieg.
24.09.1945
Zweitägige Lehrerkonferenz im Rathaus in Vorbereitung auf den Beginn des Schulunterrichts in Rostock mit Schulrat Emil Neels. Neels war seit 1932 Mitglied der KPD und in der Nazi-Zeit zu einer Zuchthausstrafe wegen illegaler Tätigkeit verurteilt worden.
25.09.1945
Die „Volksstimme“ berichtet von zwei gleichzeitig stattgefundenen überfüllten öffentlichen Versammlungen der SPD im Hansa-Theater und im Metropol-Kino. Es sprachen aus Berlin die Mitglieder des Zentralausschusses der SPD Dahrendorf und Gniffke über die nächsten Aufgaben beim Bau einer antifaschistisch-demokratischen Republik.
30.09.1945
Die Hilfe für Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer, Verwundete und andere Hilfsbedürftige hat sich seit Mai in der Stadt immer mehr ausgeweitet. Eine Organisation wird zunehmend dringender. Nachdem der Vorschlag, die Arbeiterwohlfahrt in Rostock wieder aufleben zu lassen, in der Kommandantur keine Zustimmung fand, wird im September die „Rostocker Notgemeinschaft“ als Hilfsorganisation gegründet. Sie wird in allen 26 Bezirken der Stadt aktiv und gewinnt viele Helferinnen und Helfer. Unternehmen unterstützen ihre Arbeit auf vielfältige Weise, darunter viele Handwerker und Gewerbetreibende. Im Oktober findet die erste Kleidersammlung statt, monatliche Geldsammlungen folgen. In der Pädagogien-Straße öffnet das Büro der Notgemeinschaft, eine Kleiderkammer, eine Nähstube und eine Spendenkammer werden eingerichtet. In den Bezirken entwickelt sich ein gutes Zusammenwirken mit den dort hauptamtlich tätigen „Geschäftsführern für Umsiedler- und Wohlfahrtsfragen“. Mit Unterstützung vieler Betriebe wird an mehreren Wochenenden der Holzeinschlag in der Rostocker Heide organisiert. Die Kommandantur unterstützt mit LKW und Soldaten. Die Notgemeinschaft gibt Gutscheine für je einen Sack zerkleinertes Holz für den in den Bezirken ermittelten Personenkreis, vor allem Familien mit Alten und Kindern, aus.
Ende September gibt die Landesverwaltung einheitliche Lebensmittelkarten für Mecklenburg-Vorpommern heraus, ab Oktober eingeteilt in 6 Kategorien vom „Schwerstarbeiter“ bis zur „sonstigen Bevölkerung“.
Die Ernährungslage in der Stadt bessert sich nur sehr langsam.
01.10.1945
Für 10.764 Schüler beginnt das neue Schuljahr, das erste im Frieden nach Krieg und Faschismus. Mit großem persönlichem Einsatz wurde der Unterrichtsbeginn von Schulleitern. Lehrern und technischen Kräften unter schwierigen Bedingungen vorbereitet. Es mangelt an geeigneten Lehrern, an Schulbüchern und anderem Lehr- und Lernmaterial. Die Unterrichtsräume reichen nicht aus und ihre Beheizung ist kaum gewährleistet. Teilweise wird in Wohnungen von Lehrern oder Eltern unterrichtet. Etwa 90 ehemalige Lehrer können wegen ihrer Mitgliedschaft in der Nazipartei oder aktiver Tätigkeit in ihren Gliederungen nicht wiedereingesetzt werden. Dadurch fehlen insgesamt an die 150 Lehrer. Am 1.November beginnt mit 69 Teilnehmern ein vierwöchiger Schnellkurs zur Ausbildung pädagogischer Hilfskräfte und am 1. Dezember ein achtmonatiger Kurs zur Ausbildung von Neulehrern mit 160 Teilnehmern.
Die Volksbücherei der Stadt Rostock öffnet. Ein Anfang August gebildeter „Säuberungsausschuss“ hatte dafür gesorgt, dass „nazistische, chauvinistische und ähnliche Literatur“ aus den Beständen der Büchereien ausgesondert wurde.
Seine diesbezügliche Arbeit erstreckte sich auch auf die Buchhandlungen.
12.10.1945
Die Stadtverwaltung gibt die Aufteilung von land- und forstwirtschaftlich genutztem Grundbesitz der Stadt Rostock im Rahmen der Bodenreform bekannt. Die Stadt besitzt etwa 5000 Hektar Wald und 4600 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Davon werden rund 4000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und 300 Hektar Wald aufgesiedelt. Es entstehen Neubauernwirtschaften von 5 bis 7 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche.
Im Landkreis Rostock begann die Bodenreform am 1. Oktober im Dorf Steffenshagen. Der Kreisvorsitzende der KPD, Joseph Schares, schlug den ersten Markierungspfahl in den Boden. Die Dorfbewohner sind froher Stimmung. Anwesend sind der Rostocker Oberbürgermeister Christoph Seitz, der Stadtkommandant Oberst Prjadko, der Landrat Erwin Kruse und der Pastor der Gemeinde.
Wie in vielen Dörfern kommt es auch in Steffenshagen in den folgenden Wochen zu Provokationen und Sabotageakten gegen die Landnahme der neuen Bauern. Entmachtete Grundbesitzer versuchen durch solche Aktionen die Bodenreform zu stören. Teilweise greifen sie zu offener Gewalt. Neubauernwirtschaften werden überfallen, Vieh wird gestohlen und getötet, landwirtschaftliches Gerät entwendet oder unbrauchbar gemacht. Helfershelfer werden z.T. auch durch falsche Versprechungen in den Dörfern rekrutiert.
Im Stadt- und Landkreis Rostock unterliegen der Bodenreform 165 Privatbesitzungen von mehr als 100 ha (Junker und andere Großgrundbesitzer) mit insgesamt 55.212 ha, 85 Privatbesitzungen unter 100 ha (Naziaktivisten und Kriegsgewinnler) mit insgesamt 2.715 ha, 14 Besitzungen des Staates mit 7.444 ha. 81,54 % des aufgeteilten Bodens erhalten Individualbewerber, davon 40,87 % Umsiedler und 37,27 % Landarbeiter und landlose Bauern.
Einige Güter des Kreises Rostock gehen in öffentliches Eigentum über, da sie für Saatzucht und Viehzucht genutzt bzw. als Lehr- und Versuchsgüter der Universität entwickelt werden sollen.
Die evangelisch-lutherische Landeskirche Mecklenburg erlässt einen Hirtenbrief „An die neuen Bauern anlässlich der Bodenreform.“ Er ist für den Oberkirchenrat unterzeichnet von Dr. Beste, Maerker, Spangenberg und Werner.
13.10.1945
Der Präsident der Landesverwaltung, Wilhelm Höcker, eröffnet in Rostock die Staatliche Versicherungsanstalt für Mecklenburg-Vorpommern.
21.10.1945
Erste öffentliche Mitgliederversammlung des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands in Rostock.
27.10.1945
Wilhelm Pieck, der Vorsitzende der KPD, spricht im Stadttheater am Patriotischen Weg über „Der Weg aus dem Chaos“. Seine Rede wird mit Unterstützung der Kommandantur zum UFA-Palast, zum Kino Metropol, auf den Hopfenmarkt und den Rosengarten übertragen. Nach seiner Rede sucht Pieck diese Säle und Plätze auf und wird von Hunderten von Menschen begrüßt.
Eine „Rostocker Kulturwoche“ beginnt und dauert bis zum 4. November. Sie wird mit einem vielfältigen Programm vom Kulturbund veranstaltet. In der Aufführung von Lessings „Nathan der Weise“ im Stadttheater spielt der berühmte Paul Wegener den Nathan und begeht damit sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. Am 5.Oktober 1895 hatte er bei der Eröffnung des Rostocker Stadttheaters am Steintor als Schauspieler debütiert. Im Anschluss an die Festaufführung des „Nathan“ wohnt Wegener der Enthüllung seiner von Ernst Barlach geschaffenen Büste bei.
Als Präsident der Kunstkammer ist er an diesem Tag auch Gast bei der Eröffnung des „Hauses der Kultur“ in der Villa Schillerplatz 10.
Am 28. Oktober wird als Teil der Kulturwoche im alten Museumsbau eine Ausstellung mit Werken Ernst Barlachs eröffnet. Seine Werke wurden in der Nazi-Zeit als entartete Kunst diffamiert. Er starb am 24. Oktober 1938 in Rostock. Die Stadt ehrt den Künstler nun mit der Umbenennung der Neuen Wallstraße in „Ernst- Barlach-Straße“.
30.10.1945
Die Werktätigen der Neptunwerft wählen ihren Betriebsrat. Im Oktober war die „Neptrun-Werft GmbH“ gegründet worden. Zurzeit sind etwa 450 Arbeiter, Ingenieure und Angestellte auf der Werft beschäftigt.
31.10.1945
Auf der Grundlage der Befehle 124 und 126 der SMAD vom 30. Oktober beginnt auch in Rostock die Sequestration, d.h. die vorläufige Beschlagnahme des Eigentums des faschistischen deutschen Staates, der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände, von Naziaktivisten und Kriegsgewinnlern sowie faschistischen Institutionen, Ämtern und Organisationen durch die Besatzungsorgane. Für die beschlagnahmten Vermögenswerte werden deutsche Treuhänder eingesetzt. Die Stadtverwaltung führt die Untersuchungen bis zur endgültigen Entscheidung über das sequestrierte Eigentum. Dabei greift sie auf die Entscheidungen der „Bereinigungsausschüsse“ zurück und bildet eine Sequestrationskommission. In Rostock fallen annähernd 200 Unternehmen und Vermögenswerte unter die Sequestration.
Im Oktober wurde im Rosengarten eine Gedenksäule für die Opfer des Faschismus errichtet.
07.11.1945
Gründung der Ortsgruppe Rostock der Liberal- Demokratischen Partei (LDP) unter Vorsitz von Dr.Scheffler, Leiter des Amts- und Landgerichtes Rostock, . Zu Mitgliedern des Vorstandes werden gewählt: Willi Baguhl, Fritz Bantow, Margarete Bull, Rudolf Bull, Dr. Leo Glaser, Dr. Ernst Hilzheimer und Else Silex. Die LDP-Ortsgruppe tritt dem antifaschistischen Block der Parteien in Rostock bei.
09.11.1945
Auf einer Kundgebung zum Jahrestag der Novemberrevolution in Deutschland sprechen Kurt Herholz für die KPD, Albert Schulz für die SPD und Dr. Witte für die CDU. Zur Kundgebung aufgerufen hatte der Demokratische Block der Stadt.
15.11.1945
Mit Unterstützung der sowjetischen Kommandantur beginnt in Rostock die Schulspeisung. Die Bereitstellung der erforderlichen Nahrungsmittel erweist sich als äußerst schwierig und gelingt nur durch die Hilfe vieler Menschen, Unternehmen und Institutionen.
24.11.1945
Öffentliche Frauenversammlung, auf welcher der Rostocker Antifaschistische Frauenausschuss offiziell gegründet wird. Vorsitzende wird die Journalistin Fanny Mütze-Specht (KPD). Der Frauenausschuss mobilisiert in den kommenden Monaten viele Frauen für ein aktives Mitwirken bei der Lösung dringender kommunaler Probleme. Dazu gehören auch die Trümmerfrauen, die gemeinsam mit Männern die Trümmer des Krieges wegräumen und z.T. einer neuen Nutzung zuführen. Im Juni 1946 werden 230 Helferinnen in den Bezirken der Stadt tätig sein. Im Rathaus ist eine Beratungsstelle für Frauenangelegenheiten wirksam.
Mitglieder im Antifa-Frauenausschuss sind von der SPD Elsa Dluschewski und Ilse Kolwitz, von der KPD E. Thurmann, Leiterin des Kindergartens im Bezirk 15, von der CDU Dr. Annemarie von Harlem, Oberstudiendirektorin, von der LDP Schneidermeisterin Berte Günter und die parteilose Martha Wölke. Der Frauenausschuss nimmt seine Tätigkeit offiziell am 1. Dezember auf.
25.11.1945
Außerordentliche Sitzung des Rostocker „Blocks der antifaschistischen Parteien“. Der Vizepräsident der Landesverwaltung, Innenminister Johannes Warnke, erläutert die Entscheidung, Oberbürgermeister Seitz und Stadtrat Dr. Spreche in der Landeshauptstadt Schwerin in gleichen Funktionen wie bisher in Rostock einzusetzen.
29.11.1945
Der bisherige Bürgermeister Otto Kuphal (SPD) wird als neuer Rostocker Oberbürgermeister eingeführt. Bürgermeister wird der Mechaniker Walter Petschow (KPD).
An der Universität Rostock wird der Chemiker Prof. Dr. Günter Rienäcker neuer Rektor.
30.11.1945
Auf einer Versammlung von Lehrern der Stadt wird die Rostocker Organisation der Gewerkschaft Erziehung im FDGB gegründet.
01.12.1945
Auf dem Neuen Markt findet der erste „Freie Markt“ in Rostock statt. Die wenigen Verkaufsstände werden bestürmt und zum Teil demoliert, es kommt zu Prügeleien.
Die „Freien Märkte“ wurden eingerichtet, damit Landwirte über das Ablieferungssoll hinaus produzierte Erzeugnisse, sogenannte „Freie Spitzen“, auf geordnete Weise an die Bevölkerung verkaufen können und der „Schwarze Markt“, der immer größere Ausmaße annahm, eingedämmt wird.
In Rostock fährt die Straßenbahn wieder ganztägig.
Auf der Neptunwerft beginnt nach einem Stopp der Demontage im Oktober die Produktion vorerst von Gebrauchsgütern für die Bevölkerung sowie von Gerätschaften für den landwirtschaftlichen und kommunalen Bereich.
Für eine Verhinderung der vollständigen Demontage der Werft hatten sich die Landesverwaltung, vor allem ihr Vizepräsident Johannes Warnke, die Stadt Rostock und ein Arbeiterkomitee der Werft mit Max Pagel sehr engagiert bei der SMAD eingesetzt.
Die Stadtverwaltung informiert, dass Rostock am 1. Dezember 92.068 Einwohner zählt.
18.12.1945
Der „Demokratische Stadtausschuss“, eine vorläufige Vertretung der Rostocker Einwohnerschaft, führt seine erste Sitzung durch. Er soll den Oberbürgermeister beraten. Ihm gehören 33 von den Parteien CDU, KPD, LDP und SPD benannte Rostockerinnen und Rostocker an, darunter drei aus Warnemünde.
19.12.1945
Auf Einladung des Demokratischen Blocks der Parteien findet eine Kundgebung zum Nürnberger Kriegsverbrecherprozess statt, auf der Vertreter aller Parteien sprechen.
24.12.1945
Zur ersten Nachkriegsweihnacht organisierte die „Rostocker Notgemeinschaft“ Weihnachtsfeiern für etwa 500 Flüchtlingskinder. Schon Wochen vorher war ein Aufruf „Rettet die Kinder“ ergangen. Helferinnen und Helfer sammelten Spielzeug, Bücher, Kleidung, Babysachen und was sonst noch dringend gebraucht wird. Die Bäckerobermeister Herrmann Ehmke und Heinz Grohs arrangierten, dass die Rostocker Bäcker aus bei der Kommandantur erwirkten Sonderzuteilungen für Mehl, Sirup, Öl und Zucker Pfeffernüsse backen. Bei den Feiern, die vor allem in den Wärmestuben stattfinden, freuen sich die Kinder über die
Geschenke. Jugendliche vom Antifa-Jugendausschuss ziehen mit einem Puppenspiel und Weihnachtsliedern von Feier zu Feier. Die Drogerie Knaack hat Kerzen gespendet. Dadurch kann bei den Weihnachtsfeiern Kerzenlicht scheinen.
Der Landessender Schwerin beginnt mit der Ausstrahlung eines eigenen Rundfunk- Programms, welches auch in Rostock empfangen werden kann.
31.12.1945
Seit Mai hat die Rostocker Bauaufsichtsbehörde 1555 Anträge auf Instandsetzung sowie 229 Anträge zum Neubau bzw. Umbau bearbeitet. 58 Bauten wurden als Rohbau und 33 zum Gebrauch abgenommen. 21 Schulen mit 300 Klassenräumen wurden instandgesetzt und für Flüchtlinge und aus den Ostgebieten Ausgesiedelte zwei Barackenlager in Evershagen und in Dierkow für etwa 3000 Personen hergerichtet.
1946
01.01.1946
Mit dem Jahreswechsel tritt Oberst Krylow als Militärkommandant für Rostock
an die Stelle von Oberst Prjadko.
06.01.1946
Eine Mitgliederversammlung der SPD-Ortsgruppe im Stadttheater beschließt einstimmig eine Resolution in der es zum Zusammengehen mit der KPD heißt: „Die Versammlung ist sich einig darin, dass eine ehrliche und vertrauensvolle enge Zusammenarbeit beider Parteien, die später durch die organisatorische Verschmelzung gekrönt werden muss, eine politische Notwendigkeit ist.“ Im weiteren Text wird dann darauf verwiesen, dass die Entscheidung über die organisatorische Verschmelzung „nicht das Werk von Ausschüssen, Vorständen oder anderen Instanzen sein kann, sondern einer Urabstimmung der Mitglieder bedarf, und nicht lediglich in einer der vier Besatzungszonen alleine getroffen werden kann“. Diese Resolution wird in den folgenden Wochen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Vereinigung von KPD und SPD in der SBZ unterschiedlich interpretiert.
Die SPD zählt zu dieser Zeit etwa 3.500 Mitglieder in Rostock.
07.01.1946
Auf der Neptunwerft führen die Betriebsgruppen der KPD und der SPD ihre erste gemeinsame Versammlung durch und sprechen sich mit großer Mehrheit für die Vereinigung beider Parteien aus.
09.01.1946
Erstmals nach dem Krieg wird für die Haushalte Stadtgas zum Kochen bereitgestellt.
14.01.1946
Erste Frauenkundgebung nach dem Krieg in Rostock. Im überfüllten Fürstensaal des Rathauses beraten die Frauen in einer lebhaften Diskussion über viele aktuelle Fragen der Frauen und Familien. Kapitän Drabkin von der Stadtkommandantur spricht über die sowjetische Verfassung und die gesellschaftliche Stellung der Frauen in der UdSSR.
16.01.1946
Eine gemeinsame Versammlung der in der Stadtverwaltung tätigen Mitglieder der KPD und der SPD spricht sich für die Vereinigung beider Arbeiterparteien aus.
20.01.1946
Oberbürgermeister Otto Kuphal stirbt an einem Herzinfarkt.
Gemeinsame Kreisfunktionärskonferenz der KPD und der SPD im Haus der Brauerei Mahn & Ohlerich. Alfred Starosson (SPD) und Kurt Herholz (Landesleitung der KPD) sprechen zur Vereinigung beider Parteien. In der Diskussion finden die Ausführungen beider Referenten Zustimmung.
In der Rostocker Heide findet ein größerer Holzeinschlag zur Gewinnung von Heizmaterial für die Bevölkerung statt. 175 Fuhrwerke und acht Lastkraftwagen der Roten Armee transportieren das Holz in die Stadt. Der Winter hat starken Frost gebracht.
27.01.1946
Delegiertenkonferenz der Rostocker Kreisorganisation des FDGB. In Resolutionen wird u.a. gefordert: Überführung der Konzerne und Großunternehmen in Landes- oder Kommunaleigentum, Tarifverträge mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit, Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, Auszahlung kleiner Sparguthaben, Interessenvertretung der Frauen. Die Kreisdelegiertenkonferenz spricht sich dafür aus, die „schnelle Schaffung einer einheitlichen Partei auf marxistischer Grundlage“ zu unterstützen.
Von den 44.000 beim Rostocker Arbeitsamt registrierten Beschäftigten gehörten im Januar 1946 17.000 dem FDGB an. In der Neptunwerft sind alle Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert.
01.02.1946
Albert Schulz (SPD) wird neuer Oberbürgermeister von Rostock. Der gebürtige Rostocker war vor der Nazi-Zeit SPD-Landtagsabgeordneter und Redakteur der Mecklenburgischen Volkszeitung.
Alfred Starosson folgt Albert Schulz als 1. Vorsitzenden des Kreisvorstandes Rostock der SPD.
Der Antifaschistische Frauenausschuss Rostocks schlägt vor, bei Kino-, Theater- und anderen eintrittspflichtigen Veranstaltungen einen Aufschlag, den „Kindergroschen“, zu erheben, um Mittel für die Schulspeisung zu gewinnen.
03.02.1946
Der erste kommunale Baubetrieb entsteht. Im Herbst hat er fast 100 Beschäftigte. Bei der Bewältigung der Bauaufgaben in Rostock ist eine wachsende Zahl kleiner privater Betriebe des Bauhandwerks tätig.
05.02.1946
Auf einer Zusammenkunft des Antifaschistischen Frauenausschusses wird über große Unzulänglichkeiten im Kinderheim „Kinderland Bramow“ informiert. Das ist für Frauen und Männer aus der “Notgemeinschaft Rostock“ Anlass, sich in den folgenden Monaten für würdige Bedingungen zur Betreuung der Kriegswaisen in diesem Rostocker Heim zu engagieren. Die Handwerkerschaft Rostocks übernimmt die Patenschaft über das Heim und Handwerker aus allen Berufen helfen in beeindruckender Weise. Die Kinderärzte Prof. Dr. Langhans und Dr. Krasemann kümmern sich um die gesundheitlichen Belange der Kinder.
07.02.1946
Die Rostocker Straßenbahn verkehrt jetzt auf zwei Linien und befördert täglich etwa 40.000 Fahrgäste.
25.02.1946
Offizielle Neueröffnung der Universität Rostock. Rektor Prof. Dr. Rienäcker hatte sein Amt am 12. Januar angetreten. 45 Lehrkräfte unterrichten im Sommersemester 536 Studentinnen und Studenten an vier Fakultäten, der philosophischen, der juristischen, der theologischen und der landwirtschaftswissenschaftlichen. An der Medizinischen Fakultät kann der Lehrbetrieb erst im Wintersemester aufgenommen werden, vorher sind ausreichend geeignete Hochschullehrer nicht verfügbar. Im Wintersemester kommen eine pädagogische und eine gesellschaftswissenschaftliche Fakultät hinzu. Die Zahl der Studenten beträgt am Beginn des neuen Semesters 969, darunter 220 aus Arbeiter- und Bauernfamilien.
01.03.1946
In Warnemünde nimmt ein Meteorologisches Observatorium seine Tätigkeit unter Leitung von Prof. Dr. G. Falckenberg auf.
15.03.1946
Durch den Zusammenschluss von Handwerkern in der „Treuhandwerks GmbH“ entsteht ein Baubetrieb mit 400 Beschäftigten.
Walter Ulbricht von der KPD-Führung spricht auf öffentlichen Veranstaltungen am Nachmittag in der großen Kantine der Neptunwerft und abends im Stadttheater zur Situation in Deutschland und über die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Vereinigung von KPD und SPD. Die Rede im Theater wird zum UFA-Palast übertragen.
17.03.1946
Im Stadttheater findet eine große Mitgliederversammlung der Rostocker SPD statt. Alfred Starosson hält das Referat und spricht sich mit Bezug auf die Resolution der Mitgliederversammlung vom 6. Januar dafür aus, die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien ohne Zeitverzug durchzuführen. Die Vereinigung in der SBZ könne als Anfangsschritt zur Vereinigung in ganz Deutschland dienen, betont er. Auch die Diskussionsredner sprechen alle für die Vereinigung von SPD und KPD. Der Beifall drückt die Zustimmung der Versammlung zur baldigen Vereinigung aus. Eine nochmalige Resolution wird auf der Versammlung für nicht erforderlich gehalten.
20.03.1946
Die Stadtverwaltung entscheidet ein Sofortprogramm zur Instandsetzung bombengeschädigter Wohnhäuser
21.03.1946
Auf einer Jugendversammlung anlässlich der Weltjugendwoche mit etwa 450 Teilnehmern im Kino „Hansa-Theater“ entsteht die Rostocker Ortsgruppe des am 7. März in Berlin gegründeten einheitlichen Jugendverbandes „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ). Arno Mahnke begrüßte im Namen des antifaschistischen Jugendausschusses der Stadt (Freie Jugendbewegung Rostocks) die Jugendlichen und Gäste. Das Hauptreferat hält Domprediger Karl Kleinschmidt (SPD) aus Schwerin. Walter Schultz begrüßt für KPD und SPD die Gründung der FDJ-Ortsgruppe.
23.03.1946
Am 23. und 24. März tagen in Rostock Kreiskonferenzen der KPD und der SPD.
An der Konferenz der KPD, die am 23. März um 18 Uhr in der „Wilhelmsburg“ an der Blücherstraße beginnt, nehmen 287 Delegierte und eine große Anzahl Gäste teil. Nach der Eröffnung der Konferenz durch Josef Schares begrüßt der Vorsitzende der Rostocker SPD, Alfred Starosson, die Versammelten und spricht sich für den Zusammenschluss beider Parteien aus.
Die Sozialdemokraten tagen am 24. März in Mahn & Ohlerichs Keller an der Doberaner Straße. Das Hauptreferat hält Carl Moltmann und Bernhard Quandt überbringt die Grüße der KPD. Beide Konferenzen stimmen an diesem Tag für den Vollzug der Vereinigung. Damit sind die in den zurückliegenden Wochen, vor allem in der SPD, zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen über das Für und Wider des Zeitpunktes und der Bedingungen eines Zusammenschlusses beider Arbeiterparteien erst einmal abgeschlossen.
Die Kreiskonferenzen wählen die jeweiligen Mitglieder für den Kreisvorstand Rostock und auch für den Rostocker Ortsvorstand der SED. Gleichberechtigte Vorsitzende des Kreisvorstandes werden Walter Rungenhagen von der KPD und Alfred Starosson von der SPD. Vorsitzende der Rostocker Ortsgruppe werden Rudolf Heyden und Walter Schultz.
24.03.1946
Eine „Kulturwoche der Rostocker Arbeiterschaft“ beginnt und bietet ein vielfältiges Programm, u.a. liest Erich Weinert aus seinen Werken.
31.03.1946
Ende März nimmt das Rostocker Kontor der am 23. März mit Sitz in Berlin gegründeten Deutsch-Russischen-Transport AG (DERUTRA) im Haus Strandstraße 86 seine Arbeit auf. Es realisiert den Hafenumschlag im alten Stadthafen und an den Hafenanlagen in Warnemünde. Dazu pachtet es die städtischen Hafenflächen und -anlagen. In diesem Zusammenhang wird durch die Stadt mit der Instandsetzung der Kaianlagen, Schuppen, Gleise und Krane begonnen.
Im Mai 1946 beginnt in Rostock nach dem Krieg wieder der Hafenumschlag, umgeschlagen wird vorerst fast ausschließlich Reparationsgut für die UdSSR. Ende Mai beschäftigt die DERUTRA in Rostock etwa 600 Arbeiter und Angestellte.
Anfänglich bedient sich die DERUTRA noch privater Firmen, wie der Stauerei Andreas Ihlenburg oder der Arbeitsgemeinschaft der Schiffsmakler und Spediteure Richard Schröder & Otto Wiggers.
Die Hafenanlagen werden für einen öffentlichen Zugang gesperrt und mit hohen Zäunen gesichert.
01.04.1946
Die Konsumgenossenschaft Rostock nimmt ihre Geschäftstätigkeit als eGmbH auf. Sie war von den Nazis aufgelöst worden. Die ersten Verkaufsstellen hatten schon zu Jahresbeginn wieder geöffnet.
05.04.1946
Die Rostocker Industriewerke beziehen das Werkgelände der ehemaligen Flugzeugwerke in der Bleicherstraße.
08.04.1946
Der Landesvorstand der SED wählt Kurt Bürger und Carl Moltmann zu seinen Vorsitzenden.
10.04.1946
Die erste Ausgabe der „Landeszeitung, Organ der SED für Mecklenburg-Vorpommern“ wird in Rostock verbreitet.
15.04.1946
Die Stadt ist ab jetzt in 18 Bezirke gegliedert.
17.04.1946
Der Antifaschist Roßmann wird von der Landesverwaltung als „Treuhänder der Vermögensverwaltung der ehemaligen EHAG für das Gebiet Mecklenburg-Vorpommern“ berufen. Damit enden die Versuche der Hauptverwaltung der EHAG (Ernst Heinkel AG) in Stuttgart/Zuffenhausen und ihrer Mittelsmänner in Rostock, die Verfügung über das Vermögen der EHAG in Rostock zu erhalten, noch nicht. Das geht aus einem Brief der Hauptverwaltung an „Roßmann-privat“ vom 01.07.1946 hervor, mit welchem sie versucht den Treuhänder für ihre Absichten zu gewinnen. Das gelingt nicht. Die Hauptverwaltung landeseigener Betriebe übernimmt am 16.04.1947das Heinkel-Vermögen in ihre unmittelbare Verwaltung. Damit ist der Treuhänder Roßmann auch formaljuristisch in keiner Weise mehr mit der EHAG verbunden. Am 21.10.1948 übergibt die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) auf der Grundlage des Befehls 41 der SMA Mecklenburg die Heinkel-Werke in Rostock an die VVB Fahrzeugbau Mecklenburg. Einige Grundstücke, die dabei nicht erfasst werden, gehen auf Anordnung der Regierung der DDR bei einer Nacherfassung von Objekten aus der Sequestration am 04.11.1951 in das Volkseigentum über. Damit ist die Geschichte der 1922 in Warnemünde gegründeten Heinkel-Flugzeugwerke, des größten Rüstungsbetriebes und Profiteurs von Krieg und Faschismus in Rostock, in der Stadt an der Warnow endgültig zu Ende.
Rechtzeitig vor Kriegsende hatte Ernst Heinkel technische Dokumentationen und andere wichtige Unterlagen, beachtliche Geldbeträge, Fachspezialisten und Spezialausrüstungen nach Süddeutschland verlagert. Hier wird Heinkel nach dem Krieg, technische Innovationen , wie den Strahlantrieb für Flugzeuge, die Ingenieure seines Unternehmens in Rostock hervorgebracht hatten, weiter vermarkten.
21.04.1946
Am Vereinigungsparteitag von KPD und SPD in Berlin nehmen aus Rostock Walter Rungenhagen, Josef Schares, Walter Schultz, Alfred Starosson und Max Thorwirth teil.
20.04.1946
Die Landeszeitung verweist auf eine Anordnung des Obersten Chefs der SMAD, dass „sämtliche Waren und Arbeitsleistungen nur noch zu den Preisen verkauft werden dürfen, die im Jahre 1944 bindend waren“. Mit dieser Anordnung soll dem Preiswucher ein Ende gesetzt werden. Die Umsetzung dieser Anordnung wird auch in Rostock durch die sowjetische Militärverwaltung und die deutschen Selbstverwaltungsorgane kontrolliert. Verstöße werden streng geahndet.
23.04.1946
Eröffnung der „Bank für Handwerk und Gewerbe eGmbH Rostock“.
30.04.1946
Das ehemalige Hotel „Rostocker Hof“ wird, nachdem die sowjetische Kommandantur die Räume freigezogen hat, Sitz der Leitungen der SED in Rostock.
Die Militärkommandantur war in das ehemalige Arbeitsamt in der Hundertmännerstraße gezogen, die Verwaltungskommandantur bezog die erneuerten Gebäude des ehemaligen Finanz- und Versorgungsamtes in der St. Georg-Straße.
Die Baugesellschaft Rostock informiert, dass seit Mai 1945 50 Wohnungen in Reutershagen fertiggestellt wurden. Es fehlt an Material aller Art und qualifizierte Bauarbeiter sind nur in geringer Zahl vorhanden. Das hemmt die schnellere Entwicklung der Bauleistungen.
Auf Initiative der FDJ entstanden in den vergangenen Wochen die Sportgemeinschaften Rostock Nord, Rostock West und Rostock Mitte. Der Spielbetrieb im Fußball und Handball wurde aufgenommen und Leichtathleten bestreiten erste Wettkämpfe. Karl-Heinz Langhoff siegt bei der Meisterschaft in Berlin mit 1,80 m im Hochsprung. Die Handballer von Rostock West I gewinnen 1946 41 von 46 Spielen mit einem Torverhältnis von 819:191.
01.05.1946
Erste Maidemonstration nach dem Ende von Krieg und Faschismus. Die ehemaligen Mitglieder der KPD und der SPD demonstrieren auch in Rostock erstmals am 1. Mai gemeinsam. In neun Marschsäulen ziehen etwa 45.000 Menschen zum Neuen Markt, wo auf einer Kundgebung Alfred Starosson für die SED und Hans Mahnke für den FDGB sprechen. Am Abend gibt es im Stadttheater eine Festaufführung des Schauspiels „Matrosen von Cattaro“ von Friedrich Wolf.
Das Museum der Stadt Rostock in der August-Bebel-Straße wird offiziell wiedereröffnet.
Mit Wirkung vom 1. Mai entsteht ein städtisches Kulturelles Wirtschaftsunternehmen. Zu ihm gehören die Lichtspieltheater, das Kurhaus Warnemünde und Kindergärten. Ab 1. Juli kommen hinzu das Stadttheater, die Volkshochschule, die Volksbücherei, die Museen sowie das Stadtarchiv und dann die Musikhochschule. Zu ihm gehören auch das Tanzkabarett „Moulin Rouge“ und die Artistenpension Hotel Janisch. Vorrangiger Zweck ist, die Überschüsse der Lichtspieltheater für die Finanzierung der anderen Bereiche, insbesondere des Stadttheaters zu nutzen. Mit der von der SMA angeordneten Übergabe des Kinos UFA-Palast in der Breiten Straße an den sowjetischen Filmvertrieb im Jahre 1948 verringert sich der Finanzüberschuss aus den Kinos wesentlich. Danach werden die einzelnen Bereiche schrittweise verselbständigt und das Kulturelle Wirtschaftsunternehmen aufgelöst.
05.05.1946
Am Rosengarten wird ein städtisches Mahnmal für die Opfer des Faschismus enthüllt. Viele Rostocker wohnen diesem Ereignis bei, unter ihnen Verfolgte des Nazi-Regimes, die dessen Terror überlebt haben. Die Gedenkrede hält Bürgermeister Walter Petschow.
Die VdN-Kommission bei der Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Albert Schulz hatten sich für den Mahnmal-Entwurf des jungen Architekten Stridde entschieden. Die Steinmetzfirma Mayen & Mohr schlug aus dem Granitblock des ehemaligen Füsilier-Denkmals den Sockel mit dem V-förmigen Winkel der KZ- Häftlinge und den Initialen KZ. Die Opferschale fertigten Arbeiter des Reichsbahnausbesserungswerkes aus der Schiffsplatte eines zerstörten deutschen Kriegsschiffes.
Der Platz vor dem Ständehaus erhält an diesem 5.Mai den Namen “ Karl-Marx-Platz“.