1. September 2023 Ausstellung/Kultur Yestertoday

Ausstellung mit Performance und Installation

Information

Veranstaltungsort

Burg Klempenow
17089 Breest

Zeit

01.09.2023, 18:00 - 24.09.2023, 12:27 Uhr

Themenbereiche

Krieg / Frieden, Kunst / Performance

Zugeordnete Dateien

Yestertoday
Entwurf Bert Neumann Bert Neumann Association

Am 1. September 2023 eröffnet die gemeinnützige Bert Neumann Association die Ausstellung YESTERTODAY (1.-24.9.) mit der Performance und Installation SPEEDTEST 676 (1.-3.9.) auf Burg Klempenow im nordöstlichen Teil der Mecklenburgischen Seenplatte.

Beide neuen Projekte nehmen sich dem Thema Krieg und Militär an.
In Zusammenarbeit mit regionalen, nationalen und internationalen Partner*innen entsteht ein Programm an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und politischer Bildung, welches das weitläufige Gelände der mittelalterlichen Burg bespielt. Erstmals nach ihrer umfassenden Renovierung wird auch die aus dem 17. Jhd. stammende Fachwerkkirche Klempenow genutzt.
Wo um 1250 v. Chr. die erste europäische Vielvölkerschlacht geschlagen und 1000 Jahre später die imposante Burg Klempenow erbaut wurde, wird in vier Wochen das scheinbar unüberwindliche Menschheitsthema der Militarisierung verhandelt. Dort, wo die Zustimmungswerte für die deutsche Ukrainepolitik drastisch gesunken waren, bietet das Programm neue Zugänge zur nach wie vor kontrovers geführten Debatte und verfolgt das Thema anhand konkreter Beispiele zurück bis in die Bronzezeit.

Mit SPEEDTEST 676 (1.-3-9.) wird die Ausstellung eröffnet. Der Künstler, Bühnen- und Kostümbilder Bert Neumann (1960-2015), wendete sich in einer seiner letzten Schaffensphasen Objekten aus unserer unmittelbaren Lebenswelt zu: er setzte,
ganz aus Holz gebaut, u.a. eine Straßenbahn im Bockenheimer Depot, einen Panzer in der Berliner Volksbühne und Schiffe in der Oper Stuttgart, in den Münchner Kammerspielen und im Schiffbau Zürich in Originalgröße in Szene. 2013 entwarf er für ein Theaterstück des Burgtheaters Wien einen Kampfjet. Ganz aus Holz gefertigt, ist die Skulptur mit einer Größe von
13 x 8 x 5 Metern nun in der großen Halle von Burg Klempenow gelandet. Der Flieger stellt eines der erhaltenen Großobjekte Neumanns dar, das über seine Nutzung im Theater hinaus bewahrt werden konnte. Er trifft nach 10 Jahren auf Vincenzo Bellini’s Anti-Kriegs-Arie „Casta Diva“ aus der tragischen Oper „Norma“, gesungen von der mehrfach ausgezeichneten ukrainischen Koloratursopranistin Maryna Zubko. In der Oper rät die titelgebende Druidin den von Römern belagerten rachelüsternen Galliern von einem kopflosen Gegenangriff ab und fleht eindringlich die Mondgöttin um Frieden an. Was die Gallier nicht wissen – und die Doppelbödigkeit des Dramas wie seine zeitlose Aussagekraft unterstreicht – ist, dass Norma in ihrem Handeln nicht frei von Eigeninteressen ist, sondern ein heimliches Doppel- und Liebesleben mit einem römischen Prokonsul führt. In ewiger Repetition verfangen wird das hochdramatische Belcanto Bert Neumanns flugunfähigen Kampfjet erneut in Startposition bringen.

Die auf das gesamte Burggelände verteilte Ausstellung YESTERTODAY versammelt sehr Altes und sehr Neues; darunter zahlreiche Neuproduktionen und Premieren. Die Beiträge aus Deutschland, Frankreich, Polen, Ukraine, Japan und USA machen Verbindungslinien zwischen Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus sichtbar. Sie nähern sich mit den Mitteln der Bildenden Kunst, Fotografie, Theater, Musik und des Kinos den Grenzverschiebungen, die sich – vom bronzezeitlichen Gemetzel mit Axt und Keule bis zu KI- gesteuerten Waffensystemen des 21. Jahrhunderts – aus dem immer massiver werdenden Einsatz von Militärtechnologie für die Menschheit ergeben.
Eine Ausstellung mit aktuellen Forschungsbeiträgen aus der Archäologie wird noch tiefer in der Geschichte graben und sich der Schlacht an der Tollense widmen, die um 1250 v. Chr. die offenbar erste europäische Vielvölkerschlacht ganz in der Nähe von Burg Klempenow war.
Durch diese und weitere Themen im Projekt sollen die erheblichen Herausforderungen unserer Zeit insbesondere für die Ukraine weder unterminiert noch nivelliert werden, sondern umgekehrt durch die Konkretheit des einzelnen Beispiels das Unterscheidungsvermögen eingeübt und ein neuer Dialog ermöglicht werden, der unterschiedliche Positionen gleichzeitig aushält.
Der Krieg ist – nach dem Kosovokrieg 1998, dem ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach 1945 und der Bombardierung Belgrads durch die Nato – zurückgekehrt nach Europa, ebenso wie die zeitlose Debatte über Auf- und Abrüstung und dem schwierigen Spagat zwischen Waffenlieferant, aktiver Kriegspartei und deutscher Nachkriegsidentität. Umso
wichtiger scheint es, die Komplexität durch die Konkretheit einzelner Beispiele und Stimmen verhandelbarer zu machen.

Die Projekte YESTERTODAY und SPEEDTEST 676 sind Initiativen der gemeinnützigen Bert Neumann Association. Sie vermittelt das Werk des Künstlers Bert Neumann (1960-2015) und weitere künstlerische Positionen sowie gesellschaftspolitische Fragestellungen in Ausstellungen, Workshops und Publikationen. Den Ansätzen Neumanns nachempfunden,
fördert sie spielerische Zugänge zur Kunst und den Austausch mit Menschen, die sich außerhalb ihrer Szenen bewegen. Sie leistet einen Beitrag zu einer kritisch-konstruktiven Zivilgesellschaft, indem sie Kunst als nützliches Mittel zur Gestaltung von Gemeinschaft und Demokratie darstellt. Bert Neumann förderte seinerzeit mit seinen Projekten in Deutschland, Brasilien oder Japan eine Kunst, die hinaus aus den Städten mit ihren Tempeln und Kunstpalästen in die Straßen und Vororte führte und im Verbund mit den Menschen vor Ort entstand. Die BNA sieht sich dieser Praxis verpflichtet.

Von und mit:
Vincenzo Bellini, Lenore Blievernicht, Maxim Dondyuk, Roman Dubasevych, Thilo Fischer,
John Huston, Christian Klemke, Joachim Krüger, Wolfgang Landgraeber, Gundula Lidke, Sergei Loznitsa, Christoph Meißner, Bert Neumann, Leonard Nikita Neumann, Thomas Oberender, Piotr Pawlus & Tomasz Wolski, Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, Christian Thiel, Elke Windisch & Heiko Walter-Kämpfe, Frederick Wiseman, Maryna Zubko

Partner und Förderer
YESTERTODAY entsteht in Kooperation mit Kultur-Transit-96 e.V., Evangelisches Pfarramt Hohenmocker, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern und Friedrich Ebert Stiftung Mecklenburg-Vorpommern und wird gefördert durch Friede Springer Stiftung, Fonds für Vorpommern und das östliche Mecklenburg, Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und Rosa-Luxemburg-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern.
SPEEDTEST 676 entsteht in Kooperation mit Kultur-Transit-96 e.V. und wird gefördert
durch den Fonds Darstellende Künste e.V.

Laufzeit, Öffnungszeiten und Eintritt
Die Ausstellung wird am 1. September um 18 Uhr mit einem Live-Programm eröffnet. Das
Eröffnungsprogramm mit Performance, Kino und Gesprächen setzt sich am 2. und 3. September jeweils von 11- 19.30 Uhr fort. Anschließend wird die Ausstellung bis einschließlich
24. September immer mittwochs bis freitags von 16 bis 19 Uhr und samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr für Besucherverkehr geöffnet sein. Der Eintritt kostet 7,00 EUR, unter 12 Jahren ist der Eintritt frei. Am Eröffnungswochenende wird per Voranmeldung über Anruf ein kostenloses Bus-Shuttle vom nächstgelegenen Bahnhof Gnevkow angeboten.

Kontakt

Rosa-Luxemburg-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern

Telefon: (0)381 4900450