Regieren oder Opponieren - ein Dilemma?

Am 28. September 2008 wurde Angelika Gramkow zur ersten Oberbürgermeisterin der LINKEN in einer ostdeutschen Landeshauptstadt gewählt. Herzlichen Glückwunsch dazu, Geli! Wird die Landeshauptstadt künftig von einer Linken regiert? Sollen die LINKEN überhaupt in die Regierung? Was hat die achtjährige Regierungsbeteiligung in MV gebracht? Was könnte eine solche in Zukunft bringen? Diese u.a. Fragen bewegen Mitglieder und Sympathisanten immer wieder. Wie auch die jüngste, nachstehende Polemik zeigt. Aufruf gegen den zunehmenden Entfremdungsprozess zwischen der politischen Führung und der politischen Basis der Partei Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern. Gegen die Deformierung demokratischer Prinzipien. Für einen neuen gesellschaftlichen Aufbruch. Entfremdungsprozess und Deformierung zeigen sich in der Partei Die Linke (PDL) seit einiger Zeit verstärkt. Ausdruck dessen ist nicht zuletzt das Interview, das der ehemalige Arbeitsministers Helmut Holter der Wochenillustrierten "Stern" gab. Holter, heute Fraktionsmitglied der PDL im Schweriner Landtag, diffamiert das Lebenswerk 100tausender Genossen, die in der DDR arbeiteten. Er spricht davon, dass, so seine Worte, sich das SED-Regime durch Terror, Mord und Repression ausgemacht habe. Holter schreckte nicht davor zurück den "Mut" des ehemaligen SPD Bundeskanzlers für das Durchpeitschen der Agenda 2010 (Hartz IV), ausdrücklich zu loben.
Hier zeigt sich unserer Auffassung nach eine politische Tendenz, die sich gegen die Interessen nicht nur der Parteibasis, sondern überhaupt gegen die Interessen großer Teile der Bevölkerung richtet. Allerdings ist das auch eine Tendenz, die an die anderen demokratisch etablierten Parteien signalisiert, wir sind regierungsfähig. Unserer Ansicht nach zeigt sich in einem derartigen Verhalten, das sich nicht nur auf den Genossen Holter beschränkt, dass das linke strategische Denken einiger Genossen mehr als verkümmert ist. Natürlich wird der Genossen Holter wortreich jeden Verdacht, sich über inhaltliche Parteibeschlüsse hinweggesetzt zu haben, weit von sich weisen.
Um dem Entfremdungs-und Deformierungsprozess in der PDL entgegenzutreten rufen wir dazu auf, diskutieren wir die Entwicklung der Partei Die Linke im Landesverband MV. Wir wehren uns gegen die Tendenz, dass in den eigenen Reihen bei einer kritischen Bewertung geschichtlicher Ereignisse eine bewusste Negierung der jeweiligen konkreten historischen Situation erfolgt, begangenen Fehlern ein dominierender Platz eingeräumt wird, um so letztendlich von aktuell politischen Tagesproblemen abzulenken. Lassen wir uns nicht länger von jenen manipulieren, die meinen, die DDR sei ein Terrorregime gewesen.
Die Partei Die Linke steht in Mecklenburg-Vorpommern vor einer komplizierten Situation. Dazu gehört nicht zuletzt der existenzielle Umstand, dass das Durchschnittsalter der PDL Mitglieder fast 70 Jahre beträgt. Der Erneuerungsprozess muss in Gang kommen.
Wir, die Verfasser dieses Aufrufes wünschen uns einen neuen gesellschaftlichen Aufbruch. Bringen wir uns verstärkt in die politische Gestaltung unserer Partei ein. Die Autoren schlagen vor, dass alle Interessierten das Gespräch suchen und aufnehmen. Die Autoren würden sich freuen, wenn der Aufruf ein entsprechendes Echo findet.
Poseritz, Lamprechtshagen am 15.09.2008 Carsten Hanke Henning Hagen Antwort des Geschäftsführenden Ausschuss des Landesvorstandes DIE LINKE. M-V auf den Aufruf C. Hanke und H. Hagen (17.09.2008)
 
Liebe Genossen Hanke und Hagen,
wir haben Euer Schreiben zur Kenntnis genommen. Es spricht von einer Sorge, der sich der Landesvorstand in seiner Sitzung am 13. September 2008 bereits angenommen hat.
Der Landesvorstand hat sich mit Helmut Holter zu seinem Interview verständigt und im Ergebnis festgehalten, dass es an der Ablehnung der Agenda 2010 durch DIE LINKE auch zukünftig keinen Zweifel gibt, dass die Debatte über die Geschichte der SED und der DDR differenziert und eingeordnet in historische Zusammenhänge aber offen und ehrlich weitergeführt werden muss, dass gerade jetzt in der Programmdebatte jeder aufgefordert ist, die Strategie der Partei mitzubestimmen. Wir laden Euch und alle Mitglieder des Landesverbandes ein, daran engagiert teilzunehmen.
Leider geht Ihr davon aus, dass es eine Trennung zwischen "oben" und "unten" in unserer Partei gibt. Das sehen wir anders. Wer ist „oben“ und wer ist „unten“? Vor allem aber ruft Ihr -zumindest indirekt -nur jene zur Diskussion auf, die ihr als "unten" in der Partei versteht. Wie auf diese Weise ein konstruktiver Dialog entstehen soll, der zur Klärung der von Euch angesprochenen Punkte führt, ist schwer vorstellbar. Daher können wir keinen Vorteil in diesem Aufruf erkennen.
Es geht nicht nur um die Situation im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, es geht um das Programm der LINKEN und die aktuellen Aufgaben, vor allem im nächsten Jahr – einem Superwahljahr. Gemeinsam ist ein Riesenwerk zu vollbringen – sei es bei den Wahlen zu den Kommunalparlamenten, zum Europäischen Parlament, zum Bundestag oder der Programmdiskussion und den täglichen politischen Aufgaben. Euer Mitwirken ist ausdrücklich notwendig und erwartet.
Der Landesvorstand hat ausgehend von seiner Sitzung alle Mitglieder zum breiten Dialog aufgefordert und ist sich in seinem Protest - gegen die AGENDA 2010 mit dem beispiellosen Sozialabbau einig.
Mit freundlichen Grüßen
GA des LV DIE LINKE. M-V